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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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will als Jüngling schon schaffen, wozu unsereinem wahrscheinlich das ganze Leben nicht reicht. Dafür versteht er nichts von Speis und Trank. Und es wär’ doch auch eine abscheuliche Sünd’, aus den Gaben des Herrn nichts Rechtes zu machen.«
    Plötzlich kam Leben in die bedächtigen Bewegungen des Mönchs. Er beugte sich fast verschwörerisch über den Tisch, winkte sein Gegenüber näher heran und offenbarte ihm verschmitzt: »Du, Jakob, ich hab’ was Besonderes für dich. Mußt es unbedingt probieren. Wart einen Augenblick.«
    Er verschwand fast im Laufschritt und obwohl etwas tapsig, behende wie ein Wiesel. Bruder Tobias nutzte einstweilen die Gelegenheit, wie eine entrückte Gestalt aus dem Chor der Seligen durch den Raum zu gleiten. Nur der Gesichtsausdruck hatte noch nichts von jener überirdischen Abgeklärtheit, die fern aller leidenschaftlicher Regungen über den Dingen steht, und seine säuerliche Miene brachte deutlich die Mißbilligung über das Schwatzen der Freunde zum Ausdruck.
    Kurz darauf kehrte Franziskus zurück und stellte einen großen Humpen mit frischem Bier vor ihn hin. »Da, probier!«
    Während Jakob ein paar Schlucke nahm und sie genießerisch zwischen den Backen hin und her spülte, bevor er sie durch die Kehle laufen ließ, hing Franziskus förmlich an seinen Lippen und fragte ganz aufgeregt: »Und, was sagst?«
    »Vorzüglich, guter Freund! Wenn das der Papst bekäme, dann würd’ er’s zum Fasten gar erlauben.«
    Der klösterliche Braumeister strahlte, und Jakob, der wußte, wie stolz sein Freund auf seinen kräftigen, dunkelbraunen Sud war, mit dem er immer wieder experimentierte, hätte das Lob auch ausgesprochen, wenn er statt dessen Galle getrunken hätte.
    »Ich geb’ jetzt etwas mehr Hopfen dazu. Das macht das Bier haltbarer und nicht ganz so süß. Aber ich red’ nur von mir und mit unchristlichem Stolz. Sag, wie geht es deiner Lies und den Kindern?«
    »Dank dir. Die Buben gedeihen prächtig. Der älteste schnitzt mir schon immer die Hackerpfeil zum Länden und will unbedingt auch Flößer werden. Und die Lies wird jeden Tag hübscher. Aber sie macht sich zuviel Sorgen. Alleweil plagen sie irgendwelche Ahnungen und Träume und lassen sie dann nicht mehr los. Ich hab’ manchmal Angst, daß der Gram sie nicht alt werden läßt. Und ich brauch’ sie so sehr und natürlich auch die Kinder.«
    »Jetzt bist du selber schon ganz trübsinnig. Trink noch einen Schluck, wird dir guttun. Weißt du, wenn die Lies nicht so gottesfürchtig wär, dann tät’s mich auch sorgen. Aber so, es ist oft auch eine große Gnad’ vom Herrn, zu ahnen, was er in seiner Weisheit Ratschluß für uns bereithält. Manche ahnen es ja nicht einmal, wenn’s schon passiert ist. Und glaub mir, Jakob, der Herr gibt uns auch die nötige Kraft und lädt einem nicht mehr auf, als man tragen kann.«
    »Schon recht, Franziskus. Du und dein süffiges Bier, ihr könnt einen schon aufrichten. Aber ich muß weiter und will heut noch bis in die Näh’ von Murnau. Was hört man denn so von den Straßen in der Gegend und im Freisingischen? Ist’s ruhig oder muß man sich vorsehen?«
    »Bis Murnau bist du allemal sicher. Die Gerichtsbarkeit unseres Herrn Abtes ist wirksam, und die Herren von Lichteneck am Riegsee, die sind unserem Kloster gewogen. Es gibt neuerdings gar einen Vertrag, daß ihre und des Klosters Leibeigene heiraten dürfen. Geh zum Seifried, dem Torfstecher. Das ist ein kreuzbraver Mann und steht in unseren Diensten. Bei ihm kannst du sicher und für Gotteslohn übernachten. Und vom Werdenfelser Land des Bischofs, da hab’ ich zuletzt weder Gutes noch Schlechtes gehört. Die Zeiten scheinen ruhig zu sein oder des Herren Fluten haben in den letzten Wochen auch das Gesindel weggespült.«
    Der Mönch stand auf, um trotz Jakobs halbherziger Proteste den Krug noch einmal zu füllen.
    Als er zurückkehrte, wirkte auch er etwas nachdenklich und berichtete ergänzend: »Mir kam gerade in den Sinn, was vor ein paar Tagen ein fahrender Ritter bei seiner kurzen Rast hier im Kloster erzählte. Er witterte Schlachtenglück und befand sich auf dem Weg nach München, um König Ludwig seine Dienste anzubieten. Zuvor hatte er bis Garmisch einen Kaufmannszug geleitet, der aus dem Welschland über Scharnitz Gewürze und allerlei kostbaren Tand herbeischaffte, um sie nach Augsburg weiter zu transportieren. Auf dem Weg durch Tirol hat er immer wieder Gerüchte aufgeschnappt, die Österreicher würden jetzt

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