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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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durchfahren, wo die tosende Gischt schon bei Niedrigwasser höchste Anforderungen an die Geschicklichkeit der Fergen stellte. Er, Pütrich, gedenke nun, die Fässer auf Maultieren nach Garmisch säumen zu lassen, und dort bedürfe es nur mehr eines tüchtigen Flößers, der die Ladung auf der weitaus handsameren Loisach zunächst bis nach Wolfratshausen und erst ab da auf der inzwischen friedlicheren Isar in die Residenzstadt brächte. Obwohl er nicht ausdrücklich seinen Gefallen vom Frühjahr erwähnte, stand doch unausgesprochen im Raum, was der Kaufmann von ihm erwartete. Und irgendwie hatte sich Jakob ja auch geschmeichelt gefühlt. Aber das schlechte Wetter bestand nicht erst seit kurzem. Hätte man da nicht gleich den sichereren Weg auf Innschiffen von Innsbruck nach Wasserburg und von dort zu Lande nach München wählen sollen? Und warum überhaupt die Eile? Der Wein wäre wegen ein paar Tagen Wartezeit nicht sauer geworden. Zugegeben, ein Kaufmann kalkulierte anders. Für ihn bedeutete Wartezeit Zinsverlust und hohe Lagergebühren. Und je länger der Landweg, um so größer war die Gefahr, von den überall auftauchenden Plackern um die Ware erleichtert zu werden, und entsprechender Geleitschutz kostete wieder Geld. Gleichwie, er hatte sich nun einmal entschieden, und er würde diesen Auftrag zu Ende führen.
    Am frühen Nachmittag erreichte Jakob Garmisch, wo ihn sein Weg zuerst in die Kirche von St. Nikolaus führte. Der sanfte Heilige galt als Schutzpatron der Flößer und Seeleute, was vielleicht daran lag, daß man sich von ihm erzählte, er habe sich schon als Säugling im ersten Badewasser erhoben und sei wacker gestanden und solches konnte einem Flößer, der oft auf wackeligen Balken im Wasser festen Stand suchte, nur zum Vorbild gereichen. Jakob dankte ihm für den unbeschadet überstandenen Hinweg und bat den großen Fürsprecher um Schutz für den Floßritt am nächsten Tag.
    Anschließend begab er sich schnurstracks zur Floßlände, um sich beim Ländpfleger zu melden und den Zusammenbau seines Floßes in die Wege zu leiten.
    »Grüß Euch, Meister Jakob! Wir haben Euch schon erwartet. Das Kaufmannsgut ist vor zwei Tagen eingetroffen, und ich soll’s Euch übergeben.«
    »Habt Dank, Meister Heimprecht. Sagt, was ist denn Eure Meinung zum Fluß?«
    »Nun ja, ich möcht’s mal so sagen: Wenn jetzt der Bischof von Freising mich bitten tät’, ihn hinab ins Hochstift zu flößen, ich tät’ mich schön bedanken. Konrad der Sendlinger ist ein vornehmer und einflußreicher Mann, und ich hätte doch Angst, daß es ihm seine samtenen Schuh und seinen Purpurrock allzusehr aufweicht. Und wenn mein eigener Sohn jetzt auf die Idee käm’, ein Floß nach München zu steuern, dann tät’ ich ihm sagen: Lern’s erst gescheit! Aber wenn es sein muß, und wenn es eilt, und der Loisach-Jakob steigt aufs Floß, dann hab’ ich keine Bedenken.« Er schmunzelte und klopfte Jakob anerkennend auf die Schulter. »Du mit all deiner Erfahrung, das wird schon geh’n, da bin ich mir ganz sicher.«
    Meister Heimprecht war zum vertrauten Du übergegangen. Sie mochten sich und Jakob schätzte an ihm die gerade Art, wenn man ihn um Rat und Meinung fragte.
    »Aber Jakob, es gibt ein Problem. Der Leonhard, den du alleweil als Styrer mitnimmst, hat sich vorgestern auf der Ganter seinen Fuß verknackst, und sein Sohn will ohne seinen Vater nicht fahren, nicht einmal als Drittferg. Ich kann dir sonst niemanden mitgeben. Den anderen ist’s noch zu gefährlich oder der Zunftmeister hat sie schon belegt. Aber vor zwei Tagen, bei den Fuhrleuten, da war ein junger, kräftiger Bursch. Sagt, er suche Arbeit und hätt’ Erfahrung mit der Flößerei. Ist wortkarg, aber macht keinen schlechten Eindruck. Ich kenn’ ihn nicht, aber in der Not paßt auch der Teufel ans Ruder.«
    Jakob war alles andere als erbaut darüber. Jetzt würde er wahrscheinlich auch noch Ärger mit der Zunft kriegen, und mit einem völlig Fremden auf schwere Fahrt zu gehen, das wäre schon eine gefährliche Verrücktheit. Aber was würde ihm schließlich anderes übrigbleiben.
    »Laß uns noch die Bäume aussuchen, bevor ich Brotzeit mach’.« Sie gingen zum Ganterplatz, wo die schlanken Fichten gestapelt lagen, die zu mächtigen Flößen verbunden wurden. Für eine Floßtafel, das G’stör, brauchte man zwischen zwölf und zwanzig Stämme, je nach Dicke. Die Breite des Gefährts durfte sechzehn Schuh nicht überschreiten. Sie bestimmte sich aus der Breite

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