Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
Vom Netzwerk:
bestand vielleicht diesmal die Chance, einen der Strauchdiebe zu fangen, die in diesem Waldstück ihr Unwesen trieben. All das hatte Ähnlichkeit mit dem, was ihm selbst widerfahren war. Zu gern hätte er sich mit dem jungen Pütrich darüber unterhalten.
    Warum eigentlich nicht, kam ihm nach einer Weile in den Sinn. Er wußte nur nicht, wie er ‘s anstellen sollte. Dem Alten und auch seiner jungen Frau mochte er nicht begegnen. Aber je mehr er überlegte, desto weniger sah er einen Ausweg. Denn der Verletzte würde schwerlich seinetwegen das Haus verlassen.
    So schickte Peter um die Mittagszeit beherzt den Perchtold als Boten. Der schwärmte bei seiner Rückkehr zuerst von den Leckereien, die ihm die Küchenmagd auf des Kaufmanns Geheiß hin hatte zukommen lassen, ehe er dem ungeduldigen Peter die Nachricht überbrachte, daß Ludwig Pütrich ihn morgen zwischen der Messe und dem Mittagsmahl erwarte. Und gegen einen Krankenbesuch konnte wohl auch der Richter nichts einzuwenden haben.
    Gegen Mittag des nächsten Tages machte sich Peter auf den Weg. Als er eben den Türklopfer an Pütrichs Wohnstatt betätigen wollte, schwang das Tor auf und Konrad Tömlinger kam ihm entgegen. Er war einer der beiden besoldeten Stadtärzte, und obwohl er noch ziemlich jung war, hatte er sich bereits einen guten Namen als physicus und tüchtiger Wundarzt gemacht.
    »Wie steht es mit ihm, Meister Tömlinger?« erkundigte sich Peter nach dem Befinden des Patienten. »Ist es schlimm?«
    »Oh, nichts, was nicht auch ein geschickter Baderchirurg versorgen könnte«, beruhigte ihn der Arzt. »Aber ich hab’ ihm einen Trank gegen die Schmerzen verordnet. Geht nur zu ihm! Er ist begierig auf Gesellschaft, und meine Zeit ist knapp.«
    »Dank Euch. Wünsche noch einen geruhsamen Tag.«
    »Geruhsam?« fragte der Medicus mit erstaunter Miene zurück. »Ihr scherzt wohl. Da drüben« – er deutete auf das Eckhaus gegenüber –, »da geht’s gleich munter weiter. Des Schusters Balg glüht wie ein Ofen, spuckt zum Erbarmen, und scheißt alle naselang die Windeln grün…, na, was kümmert’s einen Junggesellen wie Euch?« winkte der Arzt lachend ab und ging an Peter vorbei.
    Der betrat wenig später den Raum, den er schon kannte.
    Ludwig Pütrich saß auf einem Hochlehner parallel zum Schreibtisch, an dem er einige Geschäftsbriefe studierte. Das linke Bein ruhte hochgelagert auf einem zweiten Stuhl. Er war völlig angekleidet. Nur der Beinling war in Höhe des Oberschenkels geschlitzt, und ein dicker Verband umschlang das verletzte Glied.
    »Verzeiht, daß ich mich nicht erhebe«, bat der junge Gastgeber lächelnd, während er Peter freundlich die Rechte hinstreckte. Der fühlte sich sogleich auf sonderbare Weise zu ihm hingezogen.
    Der Sohn des alten Pütrich war ein schlanker, verteufelt gutaussehender Jungmann, der zudem nur wenige Jahre älter sein mochte als Peter selbst. Die Kleidung war geschmackvoll, aber nicht protzig. Am meisten aber beeindruckten Peter der offene Blick aus den dunkelbraunen, samtweichen Augen und das warmherzige Lächeln.
    »Setzt Euch doch!« Ludwig Pütrich wies auf einen bequemen Scherenstuhl, und gab Anselm, der noch unschlüssig unter der Tür verharrte, ein Zeichen, daß er Wein kredenzen möge.
    »Eine dumme Geschichte«, begann er daraufhin die Unterhaltung. »Zum Glück nichts Ernstes. Die Knochen blieben heil. Der Bader hat die Wunde ausgebrannt, und der Tömlinger versorgt mich mit Bernsteinpulver und Kräutertränken. Doch was führt Euch zu mir?«
    Nachdem Peter sein Bedauern und seine Genesungswünsche zum Ausdruck gebracht hatte, kam er auf den Punkt und berichtete von dem, was ihm selbst widerfahren war.
    »Ihr glaubt, es könnten dieselben Galgenvögel gewesen sein?«
    »Ich halte es für möglich«, bestätigte Peter, »und wollte Euch deshalb bitten, mir die Umstände genau zu schildern.«
    »Nun«, erwiderte der junge Pütrich, »ich habe zwar dem Richter schon alles ausführlich erzählt, aber da wir ja gewissermaßen Leidensgenossen sind« – er zwinkerte Peter belustigt zu –, »will ich’s Euch gerne noch einmal berichten. Es geschah kurz hinter Baierbrunn, und es ging alles sehr schnell. Während ich noch das Sirren im Ohr hatte, schlug der erste Bolzen auch schon krachend im Holz des gedeckten Wagens neben mir ein. Ich riß vor Schreck am Zügel, das Pferd stieg hoch und so fuhr der nächste Pfeil, der wohl dem Herzen zugedacht war, nur ins Schenkelfleisch. Erst als ich aufschrie, nahmen

Weitere Kostenlose Bücher