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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Kiesaufschüttungen, die das gewaltige Geschiebe des Flusses aufhäufte. Die vielen abgebrochenen Äste und entwurzelten Bäume, die der Fluß mit sich riß und die sich nicht selten verhakten und dann sperrig in den Wasserlauf spreizten, bedeuteten zusätzliche Gefahr. Die Männer stemmten sich kräftig gegen die Ruder, und kurz darauf hatten sie die gefährliche Stelle passiert.
    Jetzt kam sogar gelegentlich Heiterkeit auf, und Jakob warf dem Styrer vereinzelt scherzhafte Bemerkungen zu. Der lachte zwar, blieb selber aber wortkarg.
    Je näher sie Wolfratshausen kamen, um so drängender wurde die Frage, wo sie nächtigen sollten. Einerseits hätte Jakob nichts lieber getan, als anzuländen und die Nacht bei Lies und den Kindern zu verbringen. Andererseits wollte, nein durfte er das Floß mit seiner wertvollen Fracht nicht eine ganze Nacht lang aus den Augen lassen. Und schließlich, wenn die Fahrt weiterhin so zügig und reibungslos verlief, konnten sie heute noch ein gutes Stück über Wolfratshausen hinauskommen, was den Vorteil hatte, daß sie am morgigen Tag frühzeitig in München ankämen. Jakob könnte dann rasch seine Geschäfte abwickeln und vielleicht noch am selben Abend zurück sein. Schweren Herzens entschied er sich für die vorteilhaftere Lösung, besprach sich aber noch mit seinem Styrer. Der Riese Roland schien keinerlei Müdigkeit zu verspüren und sprach sich entschieden für ein Weiterfahren bis Schäftlarn aus. So sollte es denn sein.
    Die zahlreichen Windungen der Loisach erforderten wieder erhöhte Aufmerksamkeit, und als sie zur Stunde des Abendläutens in rascher Fahrt den Markt Wolfratshausen passierten, da blieb kaum Zeit, mit den Augen das Ufer abzusuchen. Zwar war es wenig wahrscheinlich, daß Lies und die Buben gerade jetzt nach ihm Ausschau hielten, doch drückte er das Floß so nahe ans Ufer, als es eben noch gefahrlos ging. Er schwenkte seinen Hut und winkte, als ob die Seinen dabei wären, gerührt der Kinderschar zu, die ihr wildes Herumtollen für einen Augenblick unterbrochen hatte, um das Schauspiel des vorbeigleitenden Floßes fröhlich zu begrüßen.
    Gleich darauf ging es auf den Isarspitz zu, wo die Loisach ihr Wasser und alles, was sie mit sich führte, der Isar übergab. Im Mündungsdelta waren große Kiesbänke aufgeschüttet, von denen jetzt nur die obersten Buckel aus dem Wasser ragten, umspült von Wirbeln und Strudeln. Jakob hielt die Augen scharf auf die Wasseroberfläche gerichtet. Als mit einem Mal ein kräftiger Schub das Gefährt erfaßte, konnte er sicher sein, daß die größere Schwester das Regiment übernommen hatte. Isara rapidus, »die Reißende«, so hatten sie nicht ohne Grund schon die Altvorderen genannt, und ungestüm gestaltete sie die Landschaft stets aufs neue. Wie die stolze Bürgersfrau stets auf neue Kleider aus war, so suchte sich die Isar laufend ein neues Bett, indem sie Altarme wie abgetragene Röcke aufgab und Geröll und Kies entschlossen umherschob, bis sie mit dem neuen Stromverlauf zufrieden war. Zur Linken wurde das Spielfeld des Flusses durch das Steilufer begrenzt, auf dem auch der Flößersteig zurückführte. Zur Rechten dehnte sich breit und langgezogen ein riesiger Auwald, der bevölkert wurde von Kuckuck und Pirol, von Reb-und Birkhühnern, von Hasen und Füchsen, Bisamratten und Dachsen. In den Aufschüttungen siedelte sich eine Vielfalt von Gräsern und Büschen an. Von besonderer Bedeutung war der Wacholder, der sowohl Trockenheit als auch die häufigen Überflutungen ertrug, dessen Beeren heilende und abwehrende Kräfte besaßen und mit dessen Holz böse Geister ausgeräuchert wurden. Zwischen den Gräsern trippelten Regenpfeifer und Rohrsänger, während die Flußschwalben in waghalsigen Sturzflügen auf Beutejagd gingen. Die wilde und beeindruckende Schönheit konnten die Flößer freilich nur eingeschränkt genießen, da zum einen die Jagd auf den Wellen ihre Aufmerksamkeit erforderte und sich zum anderen bald die Türme von Kloster Schäftlarn am linken Ufer zeigten. Die Klosterlände lag schon in stiller Ruhe und unbeaufsichtigt vor ihnen. Jakob vertäute mit seinem Gehilfen das Floß an den Schrickpfählen, suchte sich einen Rastplatz und packte sein Abendbrot aus. Er war ziemlich müde und wollte sich bald aufs Ohr legen. Roland hingegen schien keine Anstalten in dieser Richtung zu unternehmen. Er teilte im Gegenteil Jakob mit, daß er noch in den nahen Ort gehen und in der dortigen Schenke etwas essen wollte.
    »Was

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