Der Wachsmann
der Brückenbögen und vor allem aus der Naufahrt, der Fahrrinne im Fluß, die es mit viel Kosten und Mühen immer wieder freizuhalten galt. Der Münchner Rat hatte extra eine Eisenstange als Maß anfertigen lassen, und jede Lände sollte sich einer solchen Stange bedienen.
Nach der Auswahl der Stämme gönnte sich Jakob eine kurze Rast, während die Knechte des Ländmeisters schon darangingen, mit Stangen die schweren Stämme ins Rollen zu bringen, um sie über Bretterrutschen den schrägen Hang hinunter ins ruhigere Uferwasser gleiten zu lassen. Es rumpelte und krachte wie naher Donner und spritzte jedesmal hoch auf, wenn die schweren Ungetüme wie erstarrte Riesenschlangen ins Wasser eintauchten. Es war eine gefährliche Aufgabe, denn jeder einzelne Stamm hatte schon ein enormes Gewicht, und wer den rollenden Holzsäulen zu nahe kam, der war dem Himmel näher als der nächsten Floßfahrt. Bis zum Bauch im Wasser stehend, verbanden die Knechte die Stämme fest mit geflochtenen Weidenruten, die dem Gefährt einerseits den nötigen Halt gaben, ihm aber doch soviel Beweglichkeit ließen, daß es die Schläge der Wirbel und Wellenkämme ausgleichen konnte. Später griff Jakob selbst zur Floßhack, dem wichtigsten Werkzeug des Flößers. Was dem Ritter sein Schwert, das war dem Flößer seine Hacke, oft über Generationen vom Vater auf den Sohn vererbt, mit einem eigenen Zeichen versehen. Jakob schlug damit vorne, im Mittelstück und hinten Kerben quer in die Stämme, in die die Aufbundrochen gelegt und mit den Längsbäumen verbunden wurden, um dem Gefährt zusätzliche Stabilität zu verleihen.
Am frühen Abend prüfte Jakob zusammen mit dem Ländmeister noch die Fässer auf Inhalt und Vollständigkeit. Das Verladen und Vertäuen konnte er den Auflegern unter Aufsicht von Meister Heimprecht überlassen. Er selbst begab sich in die nahe Schenke auf der Suche nach dem beschriebenen Fremden. Er fand ihn beim Würfeln unter den Floß- und Fuhrknechten und winkte ihn zur Seite. Der Fremde saß breitschultrig da, hatte kurzgeschorene, blonde Haare, und aus dem offenen Gesicht leuchteten zwei gewitzte und unternehmungslustige, blaue Augen. Jakob selbst war mittelgroß und vom Körperbau her eher drahtig als massig. Als der Fremde sich erhob und herüberkam, fühlte Jakob sich wie der Zwerg im Lande der Riesen. Dieser Hüne konnte das Floß ja nach München tragen.
»Ich bin Jakob Krinner aus Wolfratshausen. Der Ländpfleger sagte mir, Ihr sucht Arbeit.«
»Ganz recht.«
»Habt Ihr Erfahrung?«
»Ich bin auf dem Inn viel gefahren und ein paar Mal die Isar entlanggerutscht, als Drittferg und als Styrer.«
»Der Fluß bietet zur Zeit kein leichtes Brot. Es ist harte und gefährliche Arbeit.«
»Mir ist nicht bang.« Der Fremde ließ lachend seine Muskeln spielen.
»Es ist nicht nur Schmalz in den Armen nötig, auch Schmalz im Hirn. Man muß den Fluß lesen können, sein wildes Spiel durchschauen, seine Tücken erkennen.«
»Oh, wie Ihr seht, versteh’ ich mich auf ein munteres Spielchen.« Er deutete lächelnd mit dem Kopf in Richtung der würfelnden Knechte.
War der Fremde etwas zu sorglos und oberflächlich oder nur selbstsicher und gut gelaunt? Jakob war sich nicht sicher.
»Ich glaubte, aus Eurer Sprache den harten Kehllaut des Tirolers herauszuhören. Habt Ihr dort kein Auskommen oder mußtet Ihr aus anderen Gründen fort?«
»Ihr hörtet recht. Ich stamme von Bergbauern im Eisacktal. Aber der karge Hof ernährt nicht alle. Ich soll Euch im übrigen von Herrn Pütrich grüßen. Er gab mir den Rat, mich an Euch zu wenden. Und wenn Ihr jemanden sucht, der harte Arbeit nicht scheut, dann könnt Ihr auf mich zählen.«
»Soso, der Herr Pütrich.« Jakob wußte nicht recht, ob er allmählich auf den Kaufmann, der sich anscheinend um alles kümmerte, argwöhnisch werden oder ob er froh sein sollte, daß sich alles so gut fügte. Immerhin wirkte der Fremde nicht unsympathisch, hatte auf die direkte Frage nach der Herkunft ohne Umschweife geantwortet, und wenn er schon auf einen Drittfergen verzichten mußte, dann kam dieser Riese nicht ungelegen. Jakob entschied sich für ihn.
»Wie ist Euer Name?«
»Roland.«
»Roland, wenn Ihr mit harter Arbeit und kargem Lohn zufrieden seid, dann schlagt ein.«
»Ich bin Euer Mann.«
Jakob bestellte zwei Becher Wein, um auf die Absprache zu trinken, sich etwas näher kennenzulernen und noch ein paar Kommandos für die Fahrt zu besprechen. Schließlich verabredeten sie, im
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