Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
Vom Netzwerk:
daß ein Schwiegervater seinen Schwiegersohn beraubt?«
    »Wie?… Der Jakob…?« Peter verstand überhaupt nichts mehr.
    »Es klingt wie ein schlechter Witz«, räumte der Richter ein, »aber Heinrich Pütrich ist der Schwiegersohn vom Rabenecker. Birgit Pütrich ist dessen Tochter.«
    Peter brauchte eine Weile, um zu begreifen, während der Richter fortfuhr: »Als damals die Frevler, die den Frieden gebrochen hatten, aus der Stadt gewiesen wurden, da mußten ihre Familien mit ihnen gehen. Birgit Rabenecker aber war wenige Monate zuvor mit dem alten Pütrich verheiratet worden. So blieb ihr dieses Schicksal erspart. Wenig später ließ sie dann Pütrich selbst für einige Zeit aus der Stadt bringen. Es hieß, der Alte sei auf seinen Ruf bedacht. Vielleicht wollte er auch nur kein Risiko eingehen, wenn sie sich in der Stadt zeigte, solange die Freveltat noch nicht vergessen war. Und sie kehrte erst wieder zurück, nachdem auch dem Vater vergeben war. Der alte Pütrich soll sich sehr für ihn verwendet und wiederholt im Rat Fürsprache geleistet haben.«
    »Des Rabeneckers Tochter…« murmelte Peter, noch immer fassungslos. Doch plötzlich zog er den Schluß daraus: »Dann könnte es doch gut sein, daß die beiden unter einer Decke stecken. Der Rabenecker hat sicher noch eine Rechnung offen, und Heinrich Pütrich spricht vom König auch nicht gerade so, als sei er der treueste Gefolgsmann. Und durch die Heirat sind sie noch enger miteinander verbunden.«
    »Gewiß«, stimmte Diener zu. »Doch wie ich schon sagte, mit dem Überfall auf Pütrichs Floß paßt das nicht recht zusammen.«
    »Gleichwohl könnte der Alte ein Motiv für die Morde haben.« Peter äußerte den Verdacht recht zaghaft und behielt dabei sorgsam den Richter im Auge. Doch der brauste diesmal nicht unwirsch auf, sondern ermunterte ganz ruhig: »Laßt hören!«
    »Nun«, begann Peter seine Vermutung, »wenn ich daran denke, wie wutentbrannt und haßerfüllt der Alte noch bei der Gerichtsverhandlung war, dann könnte ich mir gut vorstellen, daß ihm das Urteil zu milde war. Schließlich klagte er ja den Jakob sogar des Angriffs auf Leib und Leben an. Es würde mich daher nicht wundern, wenn der Kaufmann das Recht oder vielmehr die Bestrafung selbst in die Hand genommen hätte. Dazu brauchte es ja nicht mehr viel, denn der Jakob war nur mehr ein Schatten seiner selbst. Er schickte ihm also jemanden nach, der ihn auf dem Heimweg irgendwo erwürgte.«
    »Aber die Leiche hätte er dann doch besser verschwinden lassen«, wandte der Richter ein.
    »Nicht unbedingt, denn das Bemühen, den Mord wie einen Selbstmord aussehen zu lassen, war viel raffinierter. Jakob hatte doch seinerseits schwere Vorwürfe gegen den Kaufmann erhoben, und erinnert Euch nur an den Fluch! Auch wenn Jakob verurteilt wurde, so war unter den Leuten mehr Wut über den hartherzigen Kaufmann. Denkt nur an die helle Freude über die Nachricht vom Einbruch bei ihm!«
    Der Richter erinnerte sich wohl, schmunzelte aber diesmal nur wohlwollend. »Ich könnte mir sogar vorstellen, daß selbst der Einbruch nur eine Finte war«, fuhr Peter fort. »Jedenfalls kann ich’s mir derzeit nur so erklären, warum ihn der Kaufmann so herunterspielt. Er wurde nicht wirklich geschädigt, erhob daher auch keine Klage, aber das Gerücht fiel eindeutig auf Jakob zurück. Dann findet man seine Leiche, und es sieht so aus, als habe er voller Reue und Verzweiflung sich selbst das Leben genommen, und plötzlich spricht alles für die Darstellung des Kaufmanns.«
    »Und wie denkt Ihr über den Mord am Peitinger?«
    »Ich nehme an, er hat von der Sache gewußt oder war sogar selbst daran beteiligt. Immerhin wurde das Faß mit der Leiche an einer Stelle aufgefunden, die seiner besonderen Aufsicht unterlag. Peitinger hatte eine Mordswut auf den Jakob und hat ihn ja bei der Verhandlung auch beschuldigt. Wenn er nun seinen Vorteil suchte und den Alten erpreßte, blieb diesem gar nichts anderes übrig, als den Mitwisser zu beseitigen. Ich halte es nicht einmal für ausgeschlossen, daß der Peitinger sogar den Einbruch verübte, falls er wirklich stattfand. Er trank gerne und brauchte Geld. Und die Pütrichs behandelten ihn sicher nicht gleichwertig. Der Jüngere, der Bruder, hat ihn des öfteren heruntergeputzt. Außerdem kannte er die Örtlichkeit, und die Gelegenheit war günstig, denn es ließ sich alles auf den Jakob schieben. Möglicherweise fand der Schuft auch erst bei dem Einbruch Dinge, die ihm den Alten

Weitere Kostenlose Bücher