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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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kehrte nach den hektischen Tagen des Aufbruchs wieder Ruhe ein. Kein Wort mehr wurde über irgendwelche Morde verloren, als habe es sie nie gegeben. Der Krieg schien weit entfernt, durch den Auszug des Heeres nach irgendwo verlagert. Man fühlte sich sicher.
    Peter war einerseits unzufrieden, weil er das Gefühl hatte, daß selbst der Richter sich von der Friedfertigkeit der Natur anstecken und die Suche nach dem Mörder hatte einstellen lassen. Andererseits genoß auch er den Frieden, denn zu vieles und vor allen Dingen Häßliches war während der letzten Wochen geschehen. Und er genoß vor allem auch den Frieden und das Zusammensein mit Agnes und den Buben. Sein Heim war wieder der Maenhartbräu.

26. Kapitel
     
    Als Peter eines Morgens, etwa eine Woche nach dem Auszug des Heeres, auf die Gasse trat, kam von der gegenüberliegenden Seite des Tals jemand auf ihn zu. Einen Atemzug lang dachte er daran, sich zu verstellen, aber die Person lief direkt in seine Richtung. Es schien fast so, als habe sie auf ihn gewartet.
    »Gott zum Gruß, Peter Barth! Schön Euch wiederzusehen.«
    »Oh! Ja, ganz meinerseits. Seid gegrüßt! Ihr seid früh unterwegs.«
    »Ich wollte den schönen Tag nützen und zur Bleiche gehen.«
    »Dann haben wir ein Stück Wegs gemeinsam. Gebt mir Euren Korb!«
    Barbara Barth ließ sich bereitwillig den Korb voller Wäsche abnehmen, den sie in die Hüfte gestemmt hatte. »Wenn Ihr meint.«
    Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Peter freute sich einerseits über die unerwartete Begegnung, andererseits war ihm sein letzter Auftritt im Hause seines Bruders ihr gegenüber noch immer peinlich.
    »Wie geht es Euch?« durchbrach Barbara das Schweigen.
    »Gut, gut, ich kann nicht klagen.«
    »Seid Ihr sehr beschäftigt?«
    »Das Übliche.«
    »Ich… ich wollte Euch eigentlich schon lange aufsuchen und Euch sagen, daß es mir leid tut.«
    »Wie? Aber Ihr… es hat nichts mit Euch zu tun, ganz gewiß nicht.«
    »Es tut mir leid, daß es zwischen Euch und meinem Mann, Eurem Bruder, zum Streit gekommen ist. Es ist nicht recht unter Brüdern.«
    »Wir passen eben nicht zueinander, das läßt sich nicht ändern«, erwiderte Peter, und es klang barscher, als er gewollt hatte.
    »Ich wünschte, es wäre anders, und ich geb’ die Hoffnung noch nicht auf.«
    Der Blick aus ihren sanften Augen berührte ihn angenehm, und er hätte ihr am liebsten offenbart, daß er gerne zu Besuch käme, ginge es nur um sie. Statt dessen fragte er nur: »Warum seid Ihr so daran interessiert? Ihr kennt mich doch gar nicht, und Michael hat Euch sicher nur Schlechtes über mich erzählt.«
    »O nein«, versicherte die freundliche Barbara ein wenig zu schnell. »Aber das ist es auch gar nicht. Es wäre einfach gut, wenn Ihr uns öfter besuchtet.«
    Um jedesmal hinauszufliegen? lag es Peter auf der Zunge, doch er verkniff sich die bissige Bemerkung und fragte nur: »Wieso?«
    »Hm. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Michael – er ist nicht so, wie Ihr vielleicht von ihm denkt. Nun, zumindest nicht immer.«
    Ihr Lachen klang warm und herzlich. »Er ist nur so schrecklich ehrgeizig, denkt ständig nur ans Geschäft und übersieht dabei manchmal sogar, daß er noch einen Sohn hat… und mich.«
    »Er weiß eben nicht, wo die wahren Werte liegen«, sagte Peter aufmunternd und klang dabei so überzeugend, als hätte er seiner Agnes und ihren Kindern schon unverbrüchliche Treue geschworen.
    »Ihr… Ihr seid da so ganz anders, und ich dachte, es könnte für alle gut sein… und für den Buben… und schließlich ist es doch auch Eure Familie. Aber wahrscheinlich mögt Ihr Euch das gar nicht vorstellen, und ich kann Euch verstehen.«
    »Nein! Ich meine: doch.« Natürlich konnte Peter sich dies vorstellen. Er hatte es sich ja sehnlichst gewünscht. Aber da waren der Haß und die Ablehnung der Alten und seines Bruders. »Ich glaube nicht, daß Michael mich an seinem Tisch sehen möchte und die alte Welserin ihren Segen dazu gibt.«
    »Oh, Michael hört lange nicht mehr so viel auf sie, und sie hat sich deshalb auch sehr zurückgezogen.«
    »Und mein Bruder selbst, wie denkt er darüber?«
    »Nun, es ist nicht so, daß er täglich nur davon spräche. Aber er ist auch nicht mehr wütend, wenn die Rede darauf kommt. Und neulich, da äußerte er sogar selbst so etwas wie Bedauern. Nur, er kann nicht über seinen Schatten springen. Und da dachte ich…«
    »Ihr meint, ich solle… o nein!« Peter war abrupt stehengeblieben.

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