Der Wachsmann
allgemein als guter Tag, um ins Feld zu ziehen, wobei die friedfertige Gottesmutter sich gefragt haben dürfte, wie sie zu dieser seltsamen Ehre kam. Obendrein mußte dann noch der fromme Umgang, der gewöhnlich am großen Frauentag abgehalten wurde, zurückstecken zugunsten einer waffenstarrenden Prozession kriegslüsterner Helden.
Am frühen Morgen waren erst die Kirchen bei der Kräuterweihe zum Bersten voll, danach quollen die Straßen der inneren Stadt über. Alles, was laufen konnte, war unterwegs, keiner wollte den Auszug versäumen. Und es war in der Tat ein großartiges Schauspiel.
Nach der Messe versammelten sich die wehrhaften Bürger, die am Kriegszug teilnahmen, auf der weiten Angerwiese. Es dauerte eine gute Weile, bis die Bessergestellten ihr Rüstzeug am Leib hatten, und obwohl es dessen noch gar nicht bedurft hätte, wollte natürlich keiner die Gelegenheit verpassen, sich hoch zu Roß in schimmernder Wehr zur Schau zu stellen. Da fand manche Auseinandersetzung schon in der Kammer oder im häuslichen Hof statt, wenn der Knecht dem zu Wappnenden allzu ungeschickt in die kalten Beinlinge aus eisernen Kettengliedern half, oder wenn die Hausfrau in Sorge um ihren Recken das Wams mit zuviel Werg auspolsterte, um ihn vor derben Schlägen zu schützen und darauf der stolze Streiter polterte, er wolle nicht wie eine geschoppte Gans auf seinem Wallach sitzen. Und ebenso schwierig war es, die vielen Karren und Gespanne in annehmbare Ordnung zu bringen, was nur unter viel Geschrei und Fluchen gelingen wollte, so daß sich die frommen Klarissen von St. Jakob noch tiefer in ihre Klausur zurückzogen.
Als es schon fast auf Mittag zuging, setzte sich der Haufen endlich in Bewegung, nicht etwa zum Angertor hinaus, was das nächstliegende gewesen wäre, sondern wie ein Festzug hinauf zum Marktplatz, wo die wackeren Kämpfer für König und Stadt mit unbeschreiblichem Jubel begrüßt wurden.
Vorneweg sprangen Pfeifer und marschierten Trommler, um Stimmung und Takt vorzugeben. Dicht dahinter schritten würdevoll zwei kräftige Schmiede, von denen abwechselnd einer die schwere Fahne der Stadt in den lauen Wind hielt.
Der Schneider Waller stieß seine Nachbarn an und erzählte jedem voller Stolz, daß er das kostbare Tuch eben noch in mühevoller Arbeit repariert habe. Dafür stellte er freilich der Kammer der Stadt auch stolze sechzig Pfennige in Rechnung. Aber schließlich hatte er auch den ausgefransten Saum des Mönchleins wieder eingefangen und festgestichelt, damit es nicht so aussah, als sei der zerlumpteste Bettelmönch das Wahrzeichen Münchens, und er hatte auch das Federkleid des Adlers wieder aufgerichtet, das arg zerrupft und verschlissen gewesen war.
Der Fahne folgten die drei Hauptleute, von denen der mittlere Heinrich Ridler war, Mitglied des Inneren Rats und Großkaufmann. Die Stadtregierung hatte sich diesmal für das Aufgebot des Rindermarktviertels entschieden, und dem Ridler war der erhoffte Oberbefehl zugefallen. Stolzgeschwellt ritt er daher, in der Linken den Schild mit dem Wappenpfeil, mit der Rechten huldvoll grüßend. Er platzte fast vor Genugtuung darüber, daß die Jungfüchse der Adelsfamilien Sendlinger und Schluder seinem Kommando unterstanden, während er selbst weder adelig noch Ritter war.
Überhaupt gehörten dem Zug kaum echte Ritter an, und die wenigsten trugen schwere Rüstung oder saßen zu Pferde, aber das tat der Tapferkeit keinen Abbruch. Das Aufgebot der Stadt hatte schon bei Gammelsdorf den härtesten Attacken widerstanden und einen wichtigen Beitrag zum Sieg geleistet, und so mancher verwegene Geselle fühlte sich wie Seyfried Schweppermann, der Schlachtenheld persönlich.
Die Begüterten konnten sich zwei Pferde leisten und ließen sich das eigentliche Streitroß, das im Wert leicht eine Herde Kühe aufwog, hinterherführen. Sie selbst trugen über gepolstertem Untergewand ein langes Kettenhemd aus vernieteten Eisenringen, darüber den bunten Waffenrock, der schmückte und zugleich Nässe und Sonnenbestrahlung abhielt. Brust und Gelenke waren durch Panzer, Kniebuckel und Ellbogenkacheln aus gekochtem und geformtem Leder geschützt. Auf dem Kopf saß die gewölbte Beckenhaube mit Kettenbrünne für den Hals, der Topfhelm mit Zierbusch fürs Gefecht hing am Sattel. Hiebschwert, Basilard und Lanze waren die tödlichen Werkzeuge für den Kampf.
Das Fußvolk war so unbeschwert an Panzerung wie es unbeschwert an Reichtum war. Wohlhabendere Handwerker trugen noch den
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