Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
Vom Netzwerk:
vier Scheiben Brot als Unterlage und legte darauf jedem von den Bratenstücken vor. Abschließend konnte mit dem Brot die Sauce getunkt werden. Peter machte artig Komplimente zum Mahl, so daß Frau Barbaras Augen strahlten.
    Heinrich saß jetzt Peter genau gegenüber. Er kaute auf einem Hasenknöchel herum und starrte dabei unverwandt auf den Gast, der zwischendurch Grimassen schnitt, um den Buben zu beeindrucken. Ebenso vergeblich hätte er vermutlich auf den Händen laufen können. Doch etwas schien in dem Jungen zu arbeiten, und urplötzlich stand die Frage im Raum: »Bist du mein Onkel?«
    Die drei Erwachsenen schienen wie vom Donner gerührt, ein jeder freilich aus einem anderen Grund.
    »Iß und sei still!« Michael Barth hatte sich als erster wieder gefangen. Doch Heinrich dachte nicht daran, sich der väterlichen Anweisung zu fügen. »Sag, bist du mein Onkel?« klang es eher noch fordernder.
    Die Mutter versuchte es mit Zeichen und legte den Finger an die Lippen, während der Angesprochene sich wand.
    »Hm. Ich weiß nicht recht. Mag sein… frag deinen Vater!«
    Noch ehe der antworten konnte, schickte Heinrich hinterher: »Alle meine Freunde haben einen Onkel. Ich will auch einen!«
    »Du hast einen«, erklärte Vater Michael kühl.
    »Aber der ist langweilig und außerdem weit weg.«
    Peter schmunzelte insgeheim. Es konnte sich nur um Hans Barth, einen weiteren Bruder, handeln. Der hatte angeblich die geistliche Laufbahn eingeschlagen und weilte irgendwo im Rheinischen. Peter hatte ihn noch nie zu Gesicht bekommen.
    »Der Onkel vom Ortolf bringt dem immer etwas mit«, plapperte Heinrich unbekümmert und mit der enttäuschten Miene des zu kurz Gekommenen.
    »Du gehst jetzt besser in die Küche«, unterbrach Michael barsch die kindlichen Sehnsüchte.
    »Laß ihn doch«, versuchte Peter zu vermitteln. »Was glaubst du wohl, was Onkel Peter für mich bedeutet hat. Er war wie ein Vater zu mir und…«
    »Schluß damit!« Der ältere Bruder drosch auf den Tisch, warf erst dem Gast einen wütenden Blick zu und dann seinem Sohn. »Los, tu was ich dir sage! Wir haben Wichtiges zu besprechen.«
    Heinrich erhob sich schmollend und ging gesenkten Hauptes zur Tür. Nun konnte ihm auch die Mutter nicht mehr helfen, die nervös über das linnene Tischtuch strich.
    »Heinrich, komm her!« Die Aufforderung klang anders, freundlicher. Der Junge stutzte und schaute zu Peter hin, der lächelnd eine kleine Rohrflöte aus seiner Gürteltasche hervorzauberte. »Für dich, hab’ ich selber geschnitzt.«
    Heinrich wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, lief aufgeregt auf Peter zu und nahm freudestrahlend die dargebotene Flöte in Empfang. »Danke, Onkel Peter!«
    Der so Gewürdigte fragte lachend: »Sag mal, wie alt bist du denn?«
    »Neun.«
    »Dann würdest du dich sicher gut mit dem Perchtold verstehen. Vielleicht gehen wir mal gemeinsam zu den Flößern, damit du siehst, was so alles aus der weiten Welt nach München kommt!«
    Der Bub stürmte begeistert mit seiner Trophäe zur Türe hinaus, und bald darauf durchdrang schrilles Pfeifen das Haus. Es würde schon noch melodischer werden. Und wenn die alte Welserin darüber den Verstand verliert, dachte Peter bei sich boshaft, dann hat’s der Teufel mit ihr leichter.
    Barbara Barth sagte nichts, aber ihre strahlenden Augen dankten beredt. Sie erhob sich und ging unter einem Vorwand wieder in die Küche.
    Michael Barth aß erst eine Weile, goß von dem lieblichen Traminer nach und begann dann ein anderes Thema. »Wir wurden unterbrochen, als ich sagen wollte, dein Ansehen ist gestiegen in der Stadt.«
    Peter hob nur fragend die Brauen und kaute unbeirrt weiter.
    »Es heißt, daß du dich gut stellst mit Konrad Diener und vertrauten Umgang mit ihm pflegst.«
    »Der Richter will mich sogar adoptieren«, flunkerte Peter und lachte schallend, als er des Bruders verdutzte Miene sah. »Wieso nicht? Du hättest mich vom Hals, ich hätte sicheres Einkommen, reiches Erbe und einen guten Namen, und der Richter hätte einen würdigen Sohn und schlauen Gehilfen. Es wäre für alle von Vorteil.«
    Michael Barth konnte dem Witz nichts abgewinnen und blickte eher mißmutig drein, so daß Peter ein wenig stichelte: »Sehe ich da ein Körnchen Neid in deinen Augen oder warum fragst du?«
    »Nein, nein! Es freut mich für dich«, versicherte der Bruder eilfertig. »Es war ja beileibe nicht immer so, daß dir die Zuneigung des Richters galt.«
    »Zuneigung erscheint mir auch

Weitere Kostenlose Bücher