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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Peter der Einladung überhaupt gefolgt war.
    In der Stube begrüßte Michael Barth den bis dahin ungeliebten Gast. Diesmal kam er ihm sogar entgegen, reichte verkniffen lächelnd die Hand und bot ihm einen Platz an.
    Der kaufmännische Bruder wirkte auf Peter unverändert schwerfällig, aber er war eindeutig gepflegter als beim letzten Zusammentreffen und schien nicht schon von vornherein übler Stimmung zu sein. Seine Frau stellte eine Karaffe, drei zinnerne Becher und eine Schale mit Nüssen auf den Tisch, und der Hausherr fragte: »Darf ich dir eingangs und als Willkomm einen Becher Rainfal kredenzen?«
    »Da sag’ ich nicht nein.«
    Michael füllte den Becher des Bruders mit dem schweren und teuren Wein aus Istrien, bedachte seine Gattin mit einem angemessenen Schluck und goß zuletzt auch sich davon ein. Peter wartete höflich, während Barbara ihren Mann ungeduldig und auffordernd ansah.
    »Was ist nun?« fragte dieser in leicht gereiztem Ton. »Trinken wir!«
    »Worauf?« gab Barbara zurück. »Wir brauchen einen Trinkspruch.«
    »Pfff… nun, trinken wir eben auf gute Geschäfte!«
    Die Frau des Kaufmanns wirkte leicht enttäuscht und bemerkte trotzig: »Ich trinke auf die Freundschaft. Jawohl, auf gute Freundschaft. Und Ihr?«
    »Trinken wir auf das, was vor uns liegt«, schlug Peter salomonisch und mit entwaffnendem Lächeln vor.
    Während Barbara in die Küche ging, blickte ihr Mann verdrießlich drein. Ihr Trinkspruch war ihm sauer aufgestoßen. Doch er bemühte sich, zumindest gleichmütig zu erscheinen, als er zu Peter sagte: »Es freut mich, daß du meinen Rat befolgt hast.«
    »Welchen Rat?« fragte Peter unwirsch zurück. Seine Fröhlichkeit war augenblicklich verschwunden.
    »Hast du unser kleines Gespräch schon vergessen?« Michaels Lächeln erschien Peter eher hinterhältig als einladend. Am liebsten wäre er aufgesprungen und sofort wieder gegangen.
    »Wie könnte ich?« antwortete er statt dessen spitz und zwang sich zur Ruhe. »Ich habe nur leider ein schlechtes Gedächtnis für Belanglosigkeiten. Mir ist, als hätte ich nie einen Rat von dir erhalten.«
    »Einerlei«, tat Michael die giftige Erwiderung mit einer gönnerhaften Handbewegung ab. »Wir wollen uns doch nicht schon wieder streiten.«
    »Das war nie meine Absicht«, versicherte Peter, »sonst wäre ich gewiß nicht hier.«
    »Nun gut«, versuchte der Bruder einen Neuanfang. »Ich habe zuletzt jedenfalls eher Gutes über dich gehört.«
    »So? Sollte es möglich sein?«
    Es kam nicht zur Ausführung von Peters neuen Eigenschaften, denn die Hausfrau stellte geschäftig hölzerne Schalen auf den Tisch, während eine schwitzende Küchenhilfe einen Topf mit dampfender Suppe hereinbrachte, die sich als kräftige Fleischbrühe mit duftenden Kräutern erwies. Dazu gab es Weißbrot, wie es dem Haushalt der Vornehmen gebührte.
    Die drei löffelten schweigend ihre Suppe, wobei jeder von Zeit zu Zeit die anderen beäugte. Es war eine eigentümlich gespannte Atmosphäre, bis plötzlich die Türe aufflog und ein halbwüchsiges Kerlchen keuchend hereinstürmte. Es stutzte kurz, als es Peter sah und flüchtete sich sogleich an die schützende Seite der Mutter, die ihm liebevoll durch das zerzauste Haar fuhr.
    »Das ist Heinrich, unser Sohn«, stellte sie ihn nicht ohne Stolz vor. Und dem Sprößling erklärte sie: »Das ist… äh… – sie blickte fragend auf ihren Mann – »sag einen Gruß zu unserem Gast!«
    Heinrich rührte sich nicht, biß sich abwartend auf die Lippe und spielte mit seinen Daumen.
    »Du hättest längst hier sein sollen, Bürschchen!« schaltete sich der Vater barsch ein. »Wo hast du gesteckt?«
    Der Bub rang um eine Erklärung und druckste herum, bis ihn die Mutter mit einem Klaps wegschickte. »Lauf, und hol dir eine Schüssel!«
    »Wir sprechen uns noch!« schimpfte der Vater gestreng hinterher und schalt gleich darauf sein Weib: »Du bist viel zu weich mit ihm. Aus dem Bengel wird so nie was Rechtes.«
    Peter erinnerte sich an seine eigene glückliche Kindheit und fragte sich, ob dieser Ton schon damals im Hause Barth zu München geherrscht hatte. Von seinem Vater jedenfalls konnte er sich dies kaum vorstellen.
    Barbara Barth wirkte angespannt und beeilte sich, nach der Suppe unmittelbar den Hasenbraten aufzutragen. Er war bereits vom Spieß genommen und lag zerteilt in einer würzigen Sauce, die mit Pfefferkörnern, Zwiebeln und gelben Rüben angereichert war. Dazu gab es Kohl und Erbsbrei.
    Der Hausherr schnitt

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