Der Wachsmann
wen interessierte augenblicklich eine weit zurückliegende Wahl, wo der Krieg vor den Toren stand. In zwei Tagen sollte das Stadtheer ausrücken. Da galt es vorzubereiten und Proviant einzuholen, Pferde und Wagen bereitzustellen, die Waffen zu polieren, das Wams und die Schuhe zu flicken, hier und dort Abschied zu nehmen…
Der Auszug des Heeres war das bestimmende Tagesgespräch, und alles drehte sich nur noch darum. Peter erntete überall nur Kopfschütteln. »Bedauerlicherweise keine Zeit… Ihr steht im Weg… kommt doch ein andermal«, beschied man ihn allerorten.
»Aufgeblasene Narren!« schimpfte Peter vor sich hin. »Wenn dem König etwas geschieht, dann ist euer ganzes wichtiges Getue umsonst.«
An diesem Tag aber wollte ganz offensichtlich keiner so recht mit ihm reden, denn als er niedergeschlagen zur Lände zurückkehrte, da nörgelte auch Paul nur mißmutig, wo er sich so lange herumtreibe, und er wollte auf Peters Neuigkeiten gar nicht erst eingehen.
Nach seinem Tagwerk, das er mit Mühe und lustlos hinter sich brachte, fand er zu guter Letzt doch noch Gehör. Der Richter war nun zu Hause und ließ Peter zu sich vor.
»Das klingt nicht gut, was Ihr da berichtet«, kommentierte er die Nachricht. »Ich wollte es zuerst nicht glauben, weil’s mir so widersinnig erschien. Aber jetzt, so wie die Dinge gediehen sind, der alte Pütrich sich mehr als sonderbar verhält und ich von einer möglichen Verstrickung des Rabeneckers weiß, da sieht die Sache doch ganz anders aus. Und wenn ich’s mir recht überlege, schon der alte Albrecht hat vor seiner Wahl gegen den Nassauer intrigiert und ein verräterisches Komplott gegen den König geschmiedet, der dann in der Schlacht zu Göllheim auch tatsächlich sein Leben verlor. Und für den Habsburger war daraufhin der Weg frei zum Königsthron. Da sollte es einen nicht verwundern, wenn jetzt auch seine Brut nicht vor Verrat und Verschwörung zurückschreckt. Aber daß Friedrich und Leopold dabei gleich bis zum feigen Mord gehen sollen…«
»Wir müssen den König unverzüglich warnen«, drängte Peter.
»Nein«, widersprach Konrad Diener. »Denn das wiederum ist das Gute an Eurer Nachricht: Wir haben noch Zeit. Ludwigs Wahl erfolgte am 20. Oktober, mithin jährt sie sich erst in gut zwei Monaten. Aber bis dahin hat unser König hoffentlich längst schon die Österreicher wieder aus dem Land gefegt und eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld getroffen, die jeglicher Verschwörung den Boden entzieht. Und sollte er wider Erwarten unterliegen, dann hat sich ein Racheplan ebenfalls erübrigt. Nein, wir sollten ihn deshalb gerade jetzt nicht mit solchen Dingen behelligen und dadurch womöglich noch das gesamte Heerlager in Aufruhr versetzen, damit er in Ruhe seine Vorbereitungen für den Tag der Entscheidung treffen kann.«
An diesem Abend ging Peter früh zu Bett, und im Vertrauen darauf, daß der Richter wohl wisse, was zu tun sei, schlief er alsbald ohne Alpträume und Brummschädel den Schlaf des Gerechten.
Der 15. August war ein strahlender Tag und vor allem der Himmel so klar, wie es für Mariä Auffahrt und Krönung zur Himmelskönigin nicht passender hätte sein können.
Es stand beileibe noch kein bestimmter Termin für die angestrebte Entscheidungsschlacht fest, doch man munkelte, Ludwig sähe das Treffen gerne am Festtag des Erzengels Michael, denn zum einen hatte dieser auch den Satan wirkungsvoll bekämpft, und zum anderen galt er seit langem als Schutzpatron des Reiches, so daß man wohl annehmen durfte, daß er der gerechten Sache zum Sieg verhelfe. Den Gefolgsleuten der Österreicher war dies nur recht. Sie verwiesen darauf, daß Michael über die Winde des Ostens gebiete, und so würden sie alsbald wie ein Sturm über das Bayernland hereinbrechen und den falschen König hinwegfegen. Noch aber waren sie nicht so weit vorgerückt, und es konnte noch etliche Zeit verstreichen, bis sich die Heerhaufen die Donau entlang und den Inn herauf sowie vom Salzburgischen her vorgewälzt hatten. Ludwig war bei Gammelsdorf schon einmal gut damit gefahren, daß er nicht abgewartet hatte, bis sich die Aufgebote von Friedrich und Leopold zu einem starken Heer vereinigt hatten. Und er gedachte auch diesmal loszuschlagen, sobald sich eine günstige Gelegenheit dafür böte. Deshalb drängte er zum frühen Aufbruch, selbst wenn es den Säckel arg belastete, seine Mannen über längere Zeit zusammen und unter Waffen zu halten.
Das Fest der Himmelskönigin galt
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