Der Wachsmann
Uferböschung der Paar hervor und verstellten mir den Weg. Ehe ich mich entschließen konnte sie niederzureiten, hatte der erste schon die Zügel meines Pferdes gefaßt. Sie zwangen mich abzusteigen, forderten Geld und Waffen und drohten, andernfalls erginge es mir wie jenem da.«
Ludwig Pütrich wies mit der Linken auf den Toten und zog gleich darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht den Arm wieder an den Körper heran. Birgit Pütrich seufzte auf und ergriff mitfühlend seine Rechte.
»Jetzt erst sah ich den armen Kerl im Gras liegen«, fuhr der Kaufmann fort, »und da wurde mir klar, was mir bevorstand. Ich zog mein Schwert und kämpfte um mein Leben. Und fragt mich nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich streckte einen von ihnen nieder und konnte die beiden anderen in die Flucht schlagen. Erst danach bemerkte ich, daß ich auch einiges abbekommen hatte. Ich schleppte mich zu jenem hin und sah, daß er tot war. Da versorgte ich notdürftig meine Wunden, band ihn auf sein Pferd und machte mich davon, um bis zur Dunkelheit noch möglichst weit zu kommen.«
»Kanntet Ihr den Mann?« fragte Paul dazwischen.
»Wie? Nein, ich habe ihn nie zuvor gesehen.«
»Die Drei könnten doch gewöhnliche Strauchdiebe gewesen sein«, wandte der Richter ein.
Ludwig Pütrich erklärte, daß ihm die Wegelagerer dafür zu gut bewaffnet und bekleidet erschienen seien.
Konrad Diener wollte sich damit nicht zufriedengeben, doch der Verletzte stöhnt erneut auf, und sowohl der ältere Bruder als auch die Schwägerin drangen nun darauf, die Befragung auszusetzen.
Der Richter gab notgedrungen nach und besah sich dafür den Toten näher. Als er dessen Haupt anhob, klaffte von einem Ohr bis zum anderen quer über den Hals eine scheußliche Wunde.
Auch der alte Pütrich ging um den Gaul herum und starrte in das Gesicht des Toten. »Mein Gott«, entfuhr es ihm, »es ist der Bote.«
»Wie?« Konrad Diener runzelte ungläubig die Stirn.
»Der Rat hatte freitags beschlossen ihn auszuschicken«, erklärte Pütrich, »damit er das Herannahen Leopolds auskundschafte.
Das kann nur bedeuten, daß die Habsburger schon bis zum Lech vorgedrungen sind und womöglich darüber hinaus.«
»Langsam!« schlug der Richter vor. »Es kann doch auch…«
»Nein, haltet mich nicht auf!« forderte Pütrich mit sorgenvoller Miene. »Der Rat muß unverzüglich einberufen werden. Wir brauchen Gewißheit und müssen uns wappnen. Sorgt Ihr nur für Ruhe in der Stadt, und ich tue meine Pflicht.«
»Aber gewiß doch«, gab Konrad Diener mit gehässigem Unterton zurück. »Glaubt nur nicht, daß Ihr mir so davonkommt. Zwei Tage geb’ ich Euch, dann sprechen wir uns wieder.«
Er ließ die Leiche dem Bader überstellen und machte sich auf den Heimweg. Eine Menschentraube klebte an seinen Fersen und bestürmte ihn mit unzähligen Fragen und gutgemeinten Ratschlägen, aber auch bösartigen Kommentaren: »Waren’s die Habsburger? – Wo steht Leopold? – Wird er uns angreifen? – Wer sind die Mörder? – Tut endlich was! – Hängt die Sippschaft auf!«
Konrad Diener suchte sie zu verscheuchen wie lästige Fliegen und war dabei auch ebenso erfolgreich. Erst als er die Haustüre hinter sich schloß, konnte er aufatmen.
Aber da war noch immer diese ohnmächtige Wut, und er beklagte sich lauthals: »Der eine ist überheblich, glatt wie ein Aal und nicht zu fassen, der andere hat das unverschämte Glück, daß jedesmal etwas dazwischenkommt, wenn ich ihn packen will. Es ist wie verhext. Aber ich krieg’ sie noch, beide.«
»Habt Ihr das ernst gemeint mit dem Haftbrief?« fragte Peter vorsichtig.
»Natürlich! Ohne sicheren Beweis kann ich von mir aus nichts tun, und die lachen sich doch ins Fäustchen und führen mich an der Nase herum. Nur durch Zwang werden die Kerle reden. Aber in der derzeit aufgeheizten Stimmung erscheint mir das ohne Rückendeckung durch den König nicht ratsam.«
»Verzeiht, wenn ich widerspreche, aber ich habe das Gefühl, wir sind ganz nahe dran. Wenn wir all die Ungereimtheiten abwägen, Unmöglichkeiten ausschließen und dergleichen, dann…«
»… dann präsentiert Ihr mir am Ende wieder einen Mörder, der am nächsten Tag selber tot ist«, höhnte Diener, aber es klang eher hilflos und erbittert, als verächtlich. »Nein, nein«, schloß er,
»ich habe jetzt genug davon und werde die Sache auf meine Weise beenden.«
Der Richter erschien Peter zu aufgewühlt, als daß er sich von nochmaliger Widerrede etwas versprochen hätte.
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