Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
Vom Netzwerk:
Mörder, der seit Tagen die Stadt wieder in Angst und Schrecken versetzt?
    Wie gewünscht, holten Peter und Paul sonntags nach der Frühmesse den Richter ab, um gemeinsam beim Rabenecker vorzusprechen. Der schien gut gelaunt und nicht im mindesten durch den Besuch belästigt.
    »Wann habt Ihr zuletzt den Schuster gesehen?« fragte Diener ohne Umschweife.
    »Den Schuster? Wartet… es war freitags, natürlich. Pütrich hat ihn nach Hause gebracht oder vielmehr geschleift, denn der Füss konnte kaum mehr auf seinen Beinen stehen. Wir haben ihn dann gemeinsam nach oben gebracht und auf sein Lager gepackt. Der hat im Nu nichts mehr gehört und gesehen von dieser Welt.«
    »Das glaub’ ich Euch aufs Wort«, knurrte Peter, da er annahm, daß Füss noch in der Nacht ermordet worden war. Doch Konrad Diener gebot ihm mit einer raschen Handbewegung Einhalt und forderte den anderen auf fortzufahren.
    »Was soll ich noch viel sagen? Als ich vor Tagesanbruch aufstand, um meine Fuhre nach Ebersberg zu karren, da hat der Kerl geschnarcht, daß sich die Balken bogen. Das war das letzte, was ich von ihm gehört und gesehen habe.«
    »Sein Tod scheint Euch nicht besonders zu berühren. Immerhin hat er eine ganze Weile bei Euch gewohnt.«
    »Ach, wißt Ihr, anfangs war noch ganz gut mit ihm auszukommen. Er hat mir leid getan, aber mit der Zeit wurde er immer weniger umgänglich, und zuletzt war’s kaum mehr auszuhalten mit ihm. Einen Mieter wie ihn krieg’ ich jederzeit wieder, und befreundet konnte man mit ihm ohnehin kaum sein.«
    »Darüber dachte Birgit Pütrich offenbar ganz anders«, platzte Paul heraus.
    »Wie? Davon weiß ich nichts. Es geht mich auch nichts an.«
    »Sie ist Eure Tochter«, warf Peter ein.
    »Sie ist zum einen alt genug, um zu wissen, was sie tut, zum anderen ist es Sache des Herrn Pütrich, über sie zu wachen. Da mische ich mich nicht ein.«
    »Ihr habt Kalk ausgeliefert?« riß Konrad Diener das Gespräch wieder an sich. »Hättet Ihr die Güte, mir die Genehmigung zu zeigen?«
    »Wozu brauche ich eine Sondergenehmigung?« fragte der Kaufmann lachend. »Ich bin Mitglied des Rats, wie Ihr wohl wißt, und der Rat hat die Ausfuhr schon vor Wochen genehmigt. Schließlich gilt es, sich unseren Feinden gegenüber zu verstärken, wo immer es geht. Oder seid Ihr da etwa anderer Meinung?«
    »Spart Euch Euren Zynismus!« erwiderte Diener verärgert. »Findet Ihr es nicht eigenartig, daß ein Kaufmann, der so beschäftigt und zudem noch Ratsherr und Steuerer ist, sich wegen einer lächerlichen Fuhre Kalk persönlich nach Ebersberg bemüht und dafür zwei Tage von der Stadt und sogar von der Freitagssitzung des Rates fernbleibt? Ihr hattet jeden beliebigen Knecht schicken können.«
    »Aber, aber, Herr Richter. Ihr hättet einen Eurer Schergen zu mir schicken können, um mich das zu fragen. Nicht, daß ich die Ehre Eures Besuches nicht zu schätzen wüßte, aber warum habt Ihr Euch selbst herbemüht?« Heinrich Rabenecker setzte ein überlegenes Grinsen auf. »Ich bin aus familiären Gründen persönlich gefahren und habe mein Fernbleiben im Rat entschuldigt. Zufrieden?«
    Peter sah, wie der Richter die Hände zu Fäusten ballte. Das überhebliche Gehabe des Kaufmanns schien ihn mächtig zu ärgern. Peter versuchte daher abzulenken und seinerseits den Rabenecker in die Enge zu treiben. »Warum behauptet Ihr, die Juden hätten etwas mit dem Tod des Pfaffen zu tun?«
    »Behaupte ich das?« entgegnete der Kaufmann kühl.
    »Ihr habt der Torwache das Feuer angezeigt und ebenso, daß zwei Burschen, die wie Juden aussahen, davongerannt sind.«
    »Was Ihr Euch da zusammenphantasiert, ist Eure Sache«, erwiderte Rabenecker von oben herab. »Ich habe bislang nur gesagt, daß ich zwei Burschen in langen schwarzen Gewändern davonlaufen sah. Aber wenn Ihr so wollt, dann behaupte ich eben, daß ich zuvor schon von weitem sah, wie sie zwischen den Holzstößen kauerten und sich an etwas zu schaffen machten. Und es sah ganz so aus, als entzündeten sie ein Feuer. Ist es so recht?«
    »Warum von weitem?« fragte Peter nun scharf. »Ihr müßtet sie aus der Nähe gesehen haben, als Euer Wagen dort hielt.«
    »Wie? Habt Ihr Tollkraut gefressen?«
    »Mitnichten, Herr Kaufmann. Es fanden sich am Ort der Tat deutliche Spuren von Kalk.«
    Heinrich Rabenecker stutzte einen Augenblick, dann lachte er schallend.
    »Wie naiv Ihr doch seid, guter Mann. Ihr müßtet es besser wissen als ich, wieviel Fässer Kalk täglich ankommen und ihren

Weitere Kostenlose Bücher