Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
Vom Netzwerk:
christlichen Mitbrüdern.«
    »Hütet Eure Zunge!« schrie ihn der Richter an.
    »Verlaßt Ihr mein Haus!« brüllte der Kaufmann zurück.
    »Nicht, ehe ich Eure Frau gesprochen habe«, forderte Konrad Diener und ließ sich demonstrativ auf einen Stuhl fallen.
    »Das dulde ich nicht!« rief der Kaufmann erregt. »Ich lasse von Euch nicht auch noch die Ehre meiner Frau beleidigen!«
    »Das besorgt sie gut alleine«, brummelte Paul vor sich hin, während der Richter nun drohte: »Zum letzten Mal, Herr Pütrich, wenn Ihr weiterhin meine Untersuchung behindert und nicht augenblicklich Euer Weib herbeiruft, dann schicke ich noch heute einen Boten zum König, um für Eure gesamte Familie den Haftbefehl zu erwirken, und dann setze ich Euch im Namen Ludwigs so lange fest, bis Ihr redet.«
    Plötzlich drangen von der Gasse her laute Stimmen nach oben, durchmischt mit Seufzern und Stöhnen. Sie wurden lauter, und gleich darauf klang es so, als käme das Klagen nun schon aus dem Hof des Hauses. Ein schriller Schrei ertönte, und Birgit Pütrich, die das sonderbare Geschehen vom oberen Laubengang aus verfolgt hatte, stürmte aufgeregt die Treppen hinunter in den Hof.
    Ludwig Pütrich, der Bruder des Alten, war zurückgekehrt. Aber sein Einzug glich nicht dem eines Mannes, der ein gutes Geschäft erfolgreich zum Abschluß gebracht hatte. Es sah vielmehr so aus, als sei der Kaufmann unter die Räuber gefallen. Er trug einen blutgetränkten Verband um die Stirn. Seine Kleidung war an mehreren Stellen zerrissen. Den linken Arm hielt eine Schlinge am Körper, und der linke Oberschenkel war ebenfalls bandagiert. Er hatte zuletzt mehr auf dem Rücken des Pferdes gelegen, als daß er aufrecht gesessen wäre. Mühsam glitt er nun aus dem Sattel mit Hilfe herbeieilender Knechte, die ihn zu einer Bank vor der Hausmauer führten und dort behutsam absetzten.
    Am Sattelzeug waren die Zügel eines zweiten Pferdes befestigt, das somit brav gefolgt war, obwohl man ihm grausige Last aufgebürdet hatte. Es war ehedem sein Reiter gewesen, was nun bäuchlings über dem Sattel hing, Arme und Beine mit einem Strick um den Bauch des Tieres festgezurrt. Der Hals war blutverschmiert und so auch die Kleidung.
    In der Gasse vor dem Haus herrschte inzwischen aufgeregtes Getümmel. Etliche Neugierige drängten sich unverschämt in den Hausflur hinein, und einige Unerschrockene wagten sich sogar bis in den Hof vor, um ja nichts zu versäumen.
    Der alte Pütrich war nach dem Schrei seiner Frau aufgesprungen, um ebenfalls in den Hof zu eilen, und der Richter und Peter und Paul folgten ihm hinunter in das Durcheinander, das augenblicklich zum größten Teil von Birgit Pütrich veranstaltet wurde. Mal scheuchte sie Hausangestellte um Wasser und frisches Verbandszeug, mal wandte sie sich laut klagend dem Verwundeten zu und liebkoste ihn, als sei er ihr sterbender Geliebter. Und zwischendurch blaffte sie die zudringlichsten Gaffer an, sie sollten gefälligst verschwinden.
    Der Richter beauftragte zwei seiner Knechte, die inzwischen herbeigeeilt waren, die Menge hinauszudrängen und für Ruhe im Hof zu sorgen. Ein flüchtiger Blick auf den glücklosen Begleiter über dem Pferderücken sagte ihm unzweifelhaft, daß dem nicht mehr zu helfen war. So wandte er sich ebenfalls dem verletzten Ludwig Pütrich zu und fragte, was vorgefallen sei.
    Birgit Pütrich hielt frisches Leinen in Händen, mit dem sie sich daranmachen wollte, die Verbände zu wechseln und fauchte den Richter an: »Was müßt Ihr ihn jetzt belästigen? Ihr seht doch, wie es um ihn steht. Laßt ihn in Ruhe!«
    Doch der Schwager schob sie sanft, aber bestimmt beiseite und erklärte: »Es geht schon, meine Liebe. Er hat ein Recht darauf, und ich fürchte, es ist äußerst wichtig; die habsburgischen Teufel sind möglicherweise schon näher, als wir geglaubt haben.«
    »Die Habsburger?« fragten der Alte, Konrad Diener und die beiden Pfleger fast gleichzeitig und ringsum wurde es merklich stiller, bis sich erneut aufgeregtes Tuscheln erhob.
    »Seid Ihr Euch da sicher?« hakte der Richter nach.
    »Ich denke schon. Es verhielt sich so: Ich wollte ursprünglich länger in Augsburg verweilen, aber man warnte mich, daß der Feind nahe sei und die Straßen bald unsicher wären. So schloß ich eiligst meine Geschäfte ab und verließ noch gestern am späten Nachmittag die Stadt. Ich querte vor Friedberg das Lechfeld und kurz hinter dem Marktflecken Mering geschah es. Drei finster aussehende Kerle sprangen aus der

Weitere Kostenlose Bücher