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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Weg dort vorbei nehmen. Ich möchte Euch ja gerne einen Rat geben, aber es liegt mir im Gegensatz zu Euch nicht, andere zu täuschen und hinters Licht führen zu wollen.«
    Nun war Peter wütend, und der Richter zischte: »Fühlt Euch nur nicht zu sicher. Oh, ich weiß, Ihr habt damals niemanden getäuscht, Ihr habt lieber gleich dreingehauen. Solch ein Ehrenmann seid Ihr.«
    Heinrich Rabenecker schien kurzzeitig um seine Fassung zu ringen, hatte sich aber sogleich wieder in der Gewalt. «Was seid Ihr doch nachtragend! Ich wurde zu Unrecht verurteilt; ja, das ist wahr, und Ihr habt Euren Anteil daran. Aber die Stadt hat offenbar ihr Unrecht eingesehen, sonst wäre ich jetzt nicht hier und wieder in Amt und Würden. Ihr solltet Euch ein Beispiel daran nehmen!« erklärte der Kaufmann überheblich. »Wenn Ihr mich nun bitte entschuldigen wollt, ich muß zur Messe.«
    Konrad Diener machte abrupt kehrt und verließ grußlos das Haus.
    Peter erhaschte im Hinausgehen einen Blick auf des Rabeneckers Frau, die ein blondgelocktes Bübchen im Arm hielt. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht, und er war froh, daß sich die Kaufmannsfrau des verwaisten Kindes anzunehmen schien, wiewohl er ihm von Herzen einen anderen Ziehvater wünschte.
    Unterdessen pochte Konrad Diener schon heftig an die Pforte gegenüber und schimpfte während des Wartens noch halblaut vor sich hin: »Ich freue mich auf den Tag, an dem der Henker mit diesem aufgeblasenen Halunken ein letztes Wörtchen redet.«
    Das Gespräch mit dem alten Pütrich gestaltete sich keineswegs erfreulicher. Diesmal empfing er die unerwünschten Gäste notgedrungen im Obergeschoß, denn der Richter war ungerührt gleich an Anselm vorbeigestürmt.
    »Was kümmert Ihr Euch um den Tod meines Kaplans?« herrschte Pütrich sie wütend an.
    »Er wurde ermordet«, erklärte der Richter noch so ruhig wie möglich.
    »Mir hat man gesagt, es sei ein Unfall gewesen, und auf der anderen Seite geht das Gerücht um von einem Gottesurteil. Ich halte beides für möglich, und für beides kann ich nichts. Oder wollt Ihr mir etwa auch den Tod Gottschalks anlasten, so wie Ihr mir vor Wochen schon Eure Unverschämtheiten an den Kopf geworfen habt?«
    »Ich will zunächst nur wissen, wann Ihr den Pfaffen zuletzt gesehen habt.«
    »Donnerstags zur Morgenmesse.«
    »Ihr wißt das sehr genau.«
    »Natürlich, weil ich mich geärgert habe, als er freitags seine Pflicht vergaß.«
    »Hattet Ihr Streit?«
    »Wieso? Was meint Ihr damit?«
    »Nun, eben deshalb«, erläuterte der Richter. »Alle Welt weiß doch, wie es um den Pfaffen zuletzt stand, und ich brauche doch Euch wohl nicht zu sagen, wie sehr die frommen Schwestern ob seiner Pflichtvergessenheit und seines Lebenswandels klagten.«
    »Das ist ja nun vorbei«, tat Pütrich die unliebsame Sache ab. »Ich habe Gottschalk zwar wiederholt ermahnt, aber richtigen Streit gab es zu keiner Zeit. Er hatte noch immer mein Vertrauen.«
    »Und wie hieltet Ihr es mit der Zauberei?« preschte Peter vor. »Hat Gottschalk Euch hierin unterwiesen oder Ihr ihn?«
    Heinrich Pütrich hielt mühsam an sich und antwortete zornbebend: »Weder – noch, ich weiß davon nichts.«
    »Aber Ihr sagtet doch, daß Ihr mit ihm Psalmen austauschtet«, beharrte Peter.
    »Zum Zwecke des Gebets. Alles andere ist Verleumdung. Laßt mich endlich damit in Ruhe!«
    »Euer Pfaffe hat aber wiederholt sehr zutreffend von Greueln gesprochen, die anderen danach so oder so ähnlich widerfuhren«, ergriff Konrad Diener wieder das Wort. »Das macht ihn in hohem Maße verdächtig.«
    »Gewiß hatte er nur seherische Gaben. Er soll ja auch den Tod des Schusters und angeblich sogar seinen eigenen vorausgesagt haben«, erklärte der Kaufmann.
    »Oder er kannte seinen und des Schusters Mörder bereits, nachdem er zuvor selbst gemordet hatte«, schlug Peter als Lösung vor.
    »Er ist tot«, erwiderte Pütrich gereizt. »Was wollt Ihr noch von ihm? Sein Andenken schänden, so wie Ihr meinen Ruf zunichte macht?«
    »Den Mörder will ich«, hielt ihm der Richter entgegen. »Und Gottschalk könnte sehr wohl gemordet haben, bevor ihm ein anderer das Lebenslicht ausblies. Oder sollte ich besser sagen: das Feuer der ewigen Verdammnis über ihm errichtet hat?«
    »Euch ist nichts heilig«, schimpfte der Kaufmann, »weder ein Mann der Kirche noch der Tod. Ihr solltet Euch schämen. Aber was kann man auch schon erwarten von einem, der wie ein Judenknecht den Mördern Christi mehr Vertrauen schenkt als seinen

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