Der Wachsmann
rat’ ich Euch, bei der Wahrheit zu bleiben und Euch falscher Anschuldigungen zu enthalten, damit Euch nicht auch noch falsches Zeugnis zur Last gelegt wird.«
Jakob schilderte nun, immer wieder von Schmerzen und Aufstöhnen unterbrochen, wie Ludwig Pütrich an ihn herangetreten sei, wie er sich nach Garmisch aufgemacht und Floß und Wein übernommen habe. Er beschrieb die Schwierigkeiten, einen Styrer und Drittfergen zu finden und wie er sich schließlich auf Roland eingelassen habe. »Die Fahrt ging erst gut, ich konnt’ nicht klagen. Sogar am großen Heiner vorbei, ohne eine Schramme. Und dann hat der Hund plötzlich verrückt gespielt.« Jakob war jetzt deutlich die Erregung anzumerken, als er laut und stoßweise fortfuhr: »Hat’s Floß ans Ufer getrieben… hat die Hacke gepackt… und wollt’ mich erschlagen.«
Für einige Augenblicke war es totenstill im Saal.
»Das glaubt Euch doch keiner, die Mär vom bösen Riesen. Ihr selbst habt das Floß ins Verderben geführt und redet Euch jetzt heraus!« Pütrich sprang auf und ging drohend ein paar Schritte auf Jakob zu.
Der ließ sich jedoch nicht einschüchtern und brüllte nun seinerseits: »Es war doch Euer Mann, fragt Euren Bruder! Ihr habt zu erklären und zu verantworten, warum Ihr mir diesen Mörder auf den Hals gehetzt habt! Seh’ ich vielleicht so aus, als hätt’ ich mit dem Kerl eine Spazierfahrt unternommen?«
Einige der Zuhörer lachten. Doch Jakob hatte es nicht komisch gemeint. Aus ihm sprachen Bitterkeit und Enttäuschung. Er verstand nicht, was passiert war und erst recht nicht, was hier im Saal vorging. Ihm wurde nur immer bewußter, daß man ihm übel mitspielte, und er erinnerte sich an die Warnungen von Lies.
»Wen die Isar überrollt, der sieht selten gut aus«, versuchte der Vorsitzende den Gang der Verhandlung wieder in den Griff zu bekommen. »Könnt Ihr diesen angeblichen Anschlag auf Euch beweisen?«
»Wie denn, wo ich kaum weiß, wie ich hierhergekommen bin? Ich erinnere mich nur dunkel daran, daß mich der Fluß irgendwo ans Land gespuckt hat und ich mich den Hang hinaufgekämpft habe, bevor es wieder Nacht um mich wurde. Als ich erwachte, lag ich auf dem Karren von ein paar Männern, die nach München fuhren, um Korn und Salz für die Wachmannschaft von Baierbrunn zu holen. Sie hatten nichts Verdächtiges gesehen, auch nicht den Strolch.«
»Wie kann das Gericht Euch dann glauben?«
»Warum schickt Ihr nicht Reiter aus, die Leute befragen und die Gegend absuchen? Wozu hat der König Euch das Recht der Nacheile erteilt, wenn Ihr die Lumpen laufen laßt?«
»Schreibt dem Rat nicht vor, was er zu tun hat! Bei den bedrohlichen Nachrichten allenthalben über möglichen Krieg, werden wir uns hüten, auf vagen Verdacht hin wehrfähige Männer auszusenden.«
»Die glauben ihm doch nicht«, flüsterte Peter seinem Nachbarn zu.
»Woher wissen wir denn, ob dieser gefährliche Riese überhaupt existiert? Hat ihn außer Euch vielleicht noch jemand gesehen?« fragte Tulbeck mit unverhohlenem Zweifel.
»Fragt Herrn Pütrich.«
Der Bruder des Kaufmanns trat nach Aufforderung vor und brachte mit weicher, angenehmer Stimme sein Bedauern zum Ausdruck: »Ich fürchte, Herr Krinner, ich kann da nichts für Euch tun. Dieser – wie nanntet Ihr ihn? Robert, oder so ähnlich – ist mir nicht bekannt.«
»Der Kerl ist glatt wie Fischhaut. Das stinkt doch zum Himmel«, brummelte Paul.
»Aber, aber Ihr…« Jakob stammelte vor Fassungslosigkeit. »Ich meine, es… Ihr habt… er sagte, Ihr hättet ihn geschickt.«
»Hat er das? Dann hat er wohl gelogen. Es sei denn – ja, das könnte vielleicht sein. Er könnte Ludwig, den Sohn meines Bruders, gemeint haben. Doch der weilt geschäftlich in Venetien. Merkwürdig. Sagte er denn, welcher Ludwig ihn geschickt habe?«
»Nein«, mußte Jakob kleinlaut einräumen und führte dann in seiner Verzweiflung noch Meister Heimprecht an.
»O nein, nein!« winkte Tulbeck ab. »Das ist Gerichtsbezirk des Freisingers. Und wer garantiert, daß nicht der Freund für den Freund falsch aussagt?«
Jakob sah seine Felle immer mehr davonschwimmen.
»Ihr habt uns von Euren Schwierigkeiten mit der Anstellung von Floßgehilfen berichtet«, fuhr Niklas Tulbeck fort, »aber hättet Ihr bei Hochwasser ohne einen Drittfergen überhaupt losfahren dürfen? Schreibt dies nicht die Zunftordnung zwingend vor, gegen die Ihr somit verstoßen habt? Wir wollen hierzu Meister Hiltpurger hören.«
Der Floßmeister mußte
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