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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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ihn herum vorging. Er wankte gebrochen über den Marktplatz und in die Rosengasse hinein. Selbst als der Weg, wie zum Hohn, an der trutzigen Behausung der Pütrichs neben dem inneren Sendlinger Tor vorbeiführte, blieb Jakob äußerlich ungerührt.
    Peter versuchte einmal zu ihm vorzudringen, rief ihn an: »Jakob, wir stehen zu dir, halt aus…« Aber er wurde barsch abgedrängt und beschieden: »Jedermann aus der Stadt hat sich des Umgangs mit dem Verurteilten zu enthalten!« Peter hätte vor Wut heulen mögen.
    Es war seltsam. Keiner von denen, die den Weg säumten, schmähte den Jakob. Kein Halbwüchsiger feixte oder warf Steine, wie es sonst grausames Spiel war. Vielleicht, weil Jakob nicht den Schandstein schleppen mußte und seine Ausweisung auf Zeit und nicht unehrenhaft war. Wahrscheinlicher aber deshalb, weil die Flößer dem Jakob stilles Geleit gaben und nur allzu bereit gewesen wären, jeden Steinewerfer oder Krakeeler mit kräftigen Armen zur Seite zu nehmen und ihn ihre ohnmächtige Wut spüren zu lassen. Es war das wenigste, was sie für Jakob noch tun konnten.
    Schweigend gelangte der Zug schließlich am äußeren Sendlinger Tor an. Von dort aus war das Haus des Henkers zu sehen, und die Knechte versäumten es nicht, darauf hinzuweisen und Jakob genüßlich auszumalen, was ihm bei unerlaubter Rückkehr drohte. Dann stießen sie ihn hinaus in eine ungewisse Zukunft.

5. Kapitel
     
    »Estote misericordes!« hallte es durch den hohen Raum. »Seid barmherzig, wie auch Euer himmlischer Vater barmherzig ist! ›Vergebt einander!‹ forderte der Herr in jenen Tagen von seinen Jüngern. Und richtet nicht eilfertig, damit ihr nicht selbst gerichtet werdet!« Eindringlich vermittelte an diesem ersten Sonntag im Juli der Dekan von St. Peter noch einmal die Botschaft des eben feierlich gesungenen Lukasevangeliums. Die Menge lauschte ergriffen, zumal viele der Kirchgänger selbst Zeugen des schrecklichen Schauspiels am Vortag geworden waren. Und die Kunde von der Gerichtsverhandlung hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Der Dekan nannte keine Namen und war weiß Gott über jeden Vorwurf erhaben, er wolle das Urteil seiner Standesgenossen kritisieren. Aber jedermann hatte sogleich das hartherzige Auftreten des alten Pütrich vor Augen. Freilich auch den schlimmen Fluch des Jakob.
    »Schöne Worte hat er wieder gesagt, der Herr Dekan«, brummelte Paul nach der Messe mit einem Anflug von bitterem Hohn vor sich hin, während er mit Peter das Wirtshaus ansteuerte. »Der hat leicht reden.«
    »Worte des Herrn, Paul, vergiß das nicht!«
    »Aber eben nur Worte. Und wo, bitte schön, wo bleiben die Taten? Da fällt’s mir einfach schwer, an Barmherzigkeit zu glauben – und an Gerechtigkeit sowieso.«
    »Ich fürchte nur, wir haben uns auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert und vor Tatendrang geglänzt. Du darfst da dem Herrgott keinen Vorwurf machen.« Peter litt noch immer unter seinem erbärmlichen Auftritt bei Gericht und war daher in seinem Urteil sehr zurückhaltend und um Mäßigung bemüht.
    »Jetzt redet der auch schon wie ein Pfaff.« Paul verdrehte mit gespieltem Entsetzen die Augen zum Himmel. »Kannst gleich beim Gottschalk in die Lehre geh’n.«
    »Nein im Ernst, ich hab’ mich auch gefragt, was wohl den Kaufmann so verbittert hat.«
    »Willst du den jetzt etwa noch in Schutz nehmen? Mein Freund – Prediger der Sanftmut. Ich hab’s ja geahnt.«
    »Unsinn, ich bin auf den Kerl genauso wütend wie du. Aber überleg doch mal. Der Kaufmann verliert eine Floßladung. Sicher nicht angenehm. Aber was ist das schon, gemessen an seinem sonstigen Reichtum. Selbst wenn es wiederholter Verlust ist, erklärt das wirklich seinen Haß?«
    »Hast du schon einen Pfeffersack gesehen, der lächelnd auch nur einen Pfennig verliert? Aber ich kenn’ viele, die wegen ein paar Pfennigen zum Richter gerannt sind.«
    »Magst ja recht haben. Aber schau dir auch den Bruder an. Die beiden sind doch verschieden wie Tag und Nacht.«
    »Für mich ist das alles eine Sippschaft. Und keine Krähe hackt einer anderen das Auge aus.«
    »O nein, nein! Ich hab’ die beiden während der Verhandlung beobachtet. Sie haben kein Wort miteinander gesprochen. Und dem Ludwig schien es furchtbar peinlich zu sein, während der Alte gewütet hat. Der hat ja sogar seinem Bruder vorgeführt: Ich bin der Herr des Handelshauses! Mein Geld ist verloren! Ich glaub, der Ludwig hat selbst nichts zu lachen unter diesem Tyrannen.«
    »Warum geht er dann

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