Der Wachsmann
meiner Eigenschaft als Ländpfleger, und mit Jakob gab es nie Probleme. Ich hätte ihn gerne auch zum Freund gehabt, doch dafür blieb uns nicht genügend Zeit. Aber wir mochten uns, ja, ganz gewiß.«
»Einen besseren Beweis, als daß Ihr ihn jetzt zurückgebracht habt, hättet Ihr dafür kaum geben können.«
»Nun ja…« Peter wurde wieder unsicher. Konnte er an sich schon mit Lob nicht gut umgehen, so schien es ihm erst recht nicht verdient, wenn er an die Gerichtsverhandlung und seinen unrühmlichen Auftritt dachte. »Seht Ihr, wir alle waren es dem Jakob irgendwie schuldig.«
»Und trotzdem danke ich in erster Linie Euch.« Sie goß ihm Wein nach. »Wollt Ihr mir nun auch berichten, was eigentlich geschehen ist? Und bitte, scheut Euch nicht, mir die ganze Wahrheit mitzuteilen.«
Peter schaute sie fragend an: »Ich wundere mich, wie gefaßt Ihr die schlimme Nachricht aufgenommen habt… und dann Euer ungewöhnliches Auftreten vorhin am Tor, wofür ich Euch noch nicht einmal gedankt habe…«
»Ihr wundert Euch nur, weil Ihr nicht das seht, was Ihr gewohnt seid«, erwiderte Lies. »Glaubt mir, ich habe meine Augen leer geweint und meinen Kummer hinausgeschrien, wenn die Kinder nicht im Haus waren. Ich habe Gottes Gerechtigkeit verlacht und den Kaufmann verflucht. Doch dies war schon vor Tagen. Als Jakob zu seiner letzten Fahrt aufbrach, da habe ich gewußt, daß es ein Abschied für immer sein würde. Ich kann es Euch nicht erklären. Es ist ein Wissen jenseits des Verstandes; eine Gewißheit, die manchmal schmerzlich, fast immer aber untrüglich ist. Ich habe es im Laufe der Jahre als eine Gabe verstanden, als ein Geschenk, durch das ich, wenn ich es recht nutzte, oft auch anderen von Nutzen sein konnte. Nun hat es mich selber getroffen. Wird dadurch die Gabe zum Fluch? Ich habe zuerst dagegen gekämpft, doch schließlich sie auch für mich angenommen. Der Schmerz bleibt, aber ihn zu ertragen wird leichter. Es ist alles gefügt. Und ich weiß daher auch, daß Jakob nicht wirklich fort, sondern nur in einer anderen Wesenheit zugegen ist.«
Peter schaute noch immer etwas fragend und war sich nicht sicher, ob er die Witwe verstanden hatte. Aber er bewunderte aufrichtig ihre Haltung und ihren Mut. Und er erzählte ihr jetzt, was er wußte: Wie die schlimme Nachricht in die Feier der Floßleute geplatzt war. Wie Jakob die unselige Gerichtsverhandlung über sich ergehen lassen mußte und wie sein Leichnam an der Lände aufgefunden wurde. Er verzichtete zwar auf einige der grausigen Details, erwähnte aber den vielfach erhobenen Verdacht des Selbstmordes und schließlich die Vermutung, daß Jakob gewaltsam zu Tode gekommen sei.
Die Witwe, die Peter während seiner Schilderung nicht unterbrochen hatte, hatte zuletzt beide Hände vor den Mund gehalten und wirkte nun doch entsetzt, so daß sich Peter fast Vorwürfe wegen seiner Offenheit machte.
»Selbstmord«, sagte sie schließlich leise, »das ist lächerlich. Jakob hätte uns nie alleine gelassen, und er hatte auch gar keinen Grund dazu. Aber Mord – ich kann es kaum glauben. Wer könnte so etwas Schreckliches getan haben? Jakob hatte doch keine Feinde, oder…? Wißt Ihr etwas darüber? Habt Ihr einen Verdacht?«
Peter hielt es nicht für sinnvoll, sich in Spekulationen zu ergehen, solange er selbst kaum etwas über die näheren Umstände wußte, hoffte aber, vielleicht von der Witwe wertvolle Hinweise zu erhalten.
»Jakob selbst hat von einem hünenhaften Mann gesprochen, der versucht habe, ihn umzubringen. Hat er Euch gegenüber je einen solchen Mann erwähnt oder habt Ihr ihn gar selbst gesehen?«
»Nein, niemals.«
»Ihr sagtet zuvor, wenn ich mich recht erinnere, daß Ihr den Kaufmann verfluchtet. Wen meintet Ihr damit?«
»Oh, den Herrn Pütrich. Er kam vor einigen Tagen plötzlich auf den Hof und bedrängte Jakob, er möge eine Ladung Wein für ihn nach München flößen. Ich weiß nicht einmal, ob er ihm besonderen Lohn dafür verhieß. Jakob sprach später von irgendeiner Schuld, in der er stünde. Er hat nie genauer darüber gesprochen. Persönlich könnte ich auch nichts gegen den Kaufmann sagen. Aber ich hielt sein Ansinnen bei dieser Witterung für vermessen und für einen Quell des Unheils. Nur, Jakob konnte niemandem etwas abschlagen und schon gar nicht, wenn er sich verpflichtet fühlte. Doch Euren Worten nach hat ihn nicht das hochmütige Fordern des jungen, sondern vielmehr der Haß des alten Pütrich zugrunde gerichtet. Das nun
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