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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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auch anders sah.«
    »Ich will es nicht für mich. Doch um meiner Kinder willen, sagt ihm Dank. Die Zunft bedenkt zum Glück auch die Witwen und Waisen mit ihrer Fürsorge, auch wenn dies nicht gerade ein ausschweifendes Leben garantiert. Aber ich bin durch meine Fähigkeiten in der Lage, uns bescheidene Annehmlichkeit zu sichern. Zudem haben wir die schmalen Erträge unseres kleinen Hofs. Es wird schon umgehen.«
    »So soll es sein. Und wir werden uns jetzt wohl wieder auf den Weg machen.« Peter erhob sich abrupt und ging auf das Gespann zu.
    Lies folgte ihm wortlos.
    Während Perchtold schon aufgeregt auf den Wagen kletterte, drehte Peter sich noch einmal um: »Den Toten ist nichts zu neiden, außer die Ruhe. Aber würde Jakob noch leben, ich beneidete ihn jetzt um Euch. Ich will alles tun, was in meinen Kräften steht, um den Mörder zu finden und Jakob den Frieden und Euch Genugtuung zu verschaffen. Lebt wohl.«
    Lies lächelte dankbar. Ihre bleichen Wangen hatten wieder etwas Farbe bekommen, und ihre dunklen Augen strahlten ungebrochen. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis ihre sanfte Schönheit ihr einen neuen Gefährten und den Kindern wieder einen treusorgenden Vater bescherten.
    Sie rollten gemächlich die breite Straße zurück, die den Markt in zwei Hälften zerschnitt. Peter war völlig in Gedanken versunken. Er würdigte auch die Wächter keines Blickes, die am unteren Tor mit kaum verhohlenem Haß herüberglotzten. Aber Perchtold ließ es sich nicht nehmen, den beiden aus sicherer Entfernung eine Nase zu drehen und sich mit finsteren Grimassen über sie lustig zu machen.
    Die Pferde mußten sich mächtig ins Kummet hängen, bis sie die steile Anhöhe wieder erklommen hatten. Um so freudiger warfen sie die Hufe, als es auf der Landstraße dem großen Würmsee entgegen ging. Die Sonne stand schon weit im Westen, und die Bäume warfen lange Schatten. Das angenehme Licht des späten Nachmittags tauchte die Waldlichtungen und bunten Wiesenflecke in warme Farben. Goldgelb leuchtete auf den wenigen Äckern das Getreide, das während der vergangenen warmen Tage mächtig aufgeschossen und herangereift war. Nur Peter bekam von allem kaum etwas mit. Zu sehr beschäftigte ihn noch die Begegnung mit Lies. Er hatte – warum auch immer – eine schwache, schutzlose Frau erwartet. Und dann war sie es, die ihm geholfen hatte, mit wenigen Worten, aber so bestimmt, als bearbeite sie Wachs anstelle eines bulligen Wächters. Über welche Macht verfügte sie? Er war überzeugt, daß sie ihre Fähigkeiten nur zum Guten nutzte. Doch was, wenn jemand geheime Kräfte anwandte, um jemandem ernsthaft zu schaden? Sie hatte ihn ja auch gewarnt und von Skrupellosigkeit und Schwarzer Magie gesprochen. Auf was hatte er sich da nur eingelassen. Und schließlich hatte er auch noch leichtfertig ein Versprechen gegeben. O je, er hätte… halt, nicht schon wieder! »Übt auch Beständigkeit und dauerhaftes Dulden«, hatte sie gesagt. Er wollte es versuchen, auch wenn ihn leise Angst beschlich. Das Beunruhigende war, daß sie ihn besser zu kennen schien, als er sich selbst. Aber er war ja auch, was ihn selbst betraf, gewissermaßen erst am Anfang. Wie konnte er da schon um die Geheimnisse und Tiefgründigkeit der Frauen wissen. Auf jeden Fall war seine Neugier einmal mehr geweckt.
    Das Türmchen von Aufkirchen, das die östliche Anhöhe zierte und weiten Blick über den See gewährte, riß Peter aus seinen Träumen. Ursprünglich hatte er vorgehabt, die Pferde an diesem Tag noch bis Kempfenhausen zu lenken, aber der Tag war fortgeschritten, und er mußte erst wieder zur Ruhe kommen, sein inneres Gleichgewicht finden. Dazu kam ihm ein Halt in Aufkirchen gerade recht. Der alte Pfarrer, Nikolaus von Pienzenau, der es dem Teufel vor nunmehr einundzwanzig Jahren durch die Taufe zumindest erheblich erschwert hatte, sich an Peters Seele zu vergreifen, freute sich sehr über den unerwarteten Besuch und bot bereitwillig ein bequemes Lager für die Nacht und Unterkunft für die Pferde an. Während Perchtold nach den Aufregungen des Tages schon längst von boshaften Wächtern, grimmigen Riesen und zarten Feen träumte, mußte Peter im schwachen Schein eines Kienspans noch lange erzählen. Schließlich holte Peter auch den lateinischen Text hervor, in der Annahme, sein erster Lehrer, der ihm damals das Credo und Pater noster beigebracht hatte, könne ihm endlich Aufschluß über den Inhalt geben.
    Er ging zu Bett mit der beunruhigenden und

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