Der Wachsmann
wandte Peter vorsichtig ein. Er kannte die Geschichten nur zu gut und wußte inzwischen auch, daß der wackere Erzähler mehrere Schlachten in eins setzte und außerdem bei keiner dabei gewesen war. Doch mit seiner kleinlichen Kritik kam er hier gerade recht.
»Sei doch still, Peter!« rügte Perchtold ungehalten.
Und der Pate raunzte: »Warst vielleicht du dabei, du Grünschnabel, oder hab’ ich mir die Sporen verdient?«
Da er hier ganz offensichtlich fehl am Platze war, begab sich Peter auf einen kleinen Rundgang, um vielleicht alte Freunde zu treffen und das heimatliche Gefühl auszukosten. Bei seiner Rückkehr war die Schlacht gerade zu einem grausigen Ende gekommen.
»… und das Schlachtfeld war übersät mit Leichen, aber der schreckliche Anblick war nichts gegen das, was nun folgte. Noch in der Nacht schlichen Diebe zwischen den Kadavern umher und nahmen den Toten alles ab, was kostbar und leicht zu tragen war. Und wenn der Ring nicht vom steifen Finger abging: ritschratsch, war der Ring eben mitsamt dem Finger weg. Und die Knechte der siegreichen Herren zogen den gefallenen Rittern die wertvollen Rüstungen aus. Weil die Toten meist völlig verrenkt und steif dalagen, mußte man ihnen dazu oft erst Knochen und Gelenke brechen. Ich hab’ noch heut das hundertfache, entsetzliche Knacken im Ohr…«
»Erzählt doch dem Kind nicht solche Scheußlichkeiten und kommt zu Tisch« protestierte jetzt Kathi energisch.
Perchtold, der zuletzt mit angezogenen Beinen auf der Bank hockte und trotz der wärmenden Sonne fröstelte, nahm nun die Unterbrechung dankbar an und folgte der Magd freudig ins Haus.
Während des Mahles forschte der Greis, der auf einmal recht rüstig erschien, nach Peters Geschäften, wie es ihm bei der Ankunft in München ergangen sei und ob er sein Auskommen habe.
»Der Peter ist jetzt… mmpff.«
Schnell schob Peter sein Hühnerbein in Perchtolds Plappermaul und versicherte: »Die Geschäfte gehen ihren Gang.«
»Hast du Bruder Michael deinen Anteil abgetrotzt? Sein Gesicht hätt’ ich sehen mögen. War er nicht recht wütend und hat wieder knausrig und kleinlich gehandelt, wie er’s mit uns gerade tut?«
»Wir haben uns geeinigt«, versuchte Peter das Gespräch abzubiegen.
»Und die geizige Welserin wird halb der Schlag getroffen haben«, kicherte der Pate boshaft vor sich hin. »Ich sag’ euch, die wird uns alle überleben. Die will sogar der Herrgott so lang wie’s geht vom Himmel fernhalten, weil er Angst hat, daß sie ihm dort oben das Ruder aus der Hand nimmt.«
Der alte Barth blühte jetzt förmlich auf. »Wenn ich da an meine sanfte Gertrud zurückdenke und davor die hübsche Ehrentraud. Was hat sich der stolze Pütrich damals gegiftet.« Der Oheim grinste vor Vergnügen.
»Wieso Pütrich?« horchte Peter auf.
»Ja, weißt du’s nicht? Sie war die Schwester des Kaufmanns Heinrich Pütrich. Der war damals gerade zwölf Jahre alt und hat sehr an seiner älteren Schwester gehangen. Aber das war ja auch lange vor deiner Zeit. Es waren uns leider nur drei Jahre vergönnt. Der Bruder hat mich für ihren frühen Tod verantwortlich gemacht.« Der Pate hatte zuletzt ganz leise und nachdenklich gesprochen und schien mit einem Mal bedrückt. »Und fruchtbar«, fügte er seufzend hinzu, »fruchtbar waren sie leider alle beide nicht, sonst hätt’ ich heut Söhne und stund’ nicht so allein da.«
Peter spürte allmählich Beklemmungen in sich aufsteigen. Er hatte sich so sehr auf ein Wiedersehen gefreut, doch wurde ihm dabei immer bewußter, daß sein Platz in München war. Er konnte hier dem Anspruch und den Erwartungen an ihn nicht gerecht werden.
Bald nachdem die Sonne ihren höchsten Punkt durchschritten hatte, suchte Peter den Abschied. Mit der Beteuerung, bald wieder vorbeizuschauen, entwand er sich gutgemeinten Ratschlägen und aufkommender Rührung und trieb die Pferde an. Perchtold winkte noch lange seinem neuen Freund zu, was der freilich nur mehr durch die Augen der Magd gewahr wurde. An den Hütten der Hintersassen vorbei trabten die Pferde der Mühle zu, die schon auf halbem Weg nach Haarkirchen lag. Dort hielt Peter kurz an, denn auf der Lüsswiese blühten die schönsten Margeriten und fettesten Trollblumen.
»Wer bekommt die denn?« forschte Perchtold neugierig.
»Die schönste und liebste aller Frauen, die mir bisher begegnet ist.«
Klar, daß das pfiffige Kerlchen die Blumen jetzt büschelweise ausriß, um seiner Mutter eine Freude zu machen. Bei der
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