Der Waechter
deshalb in ihre Träume einbaute. Und das war nun wirklich nicht der Fall.
Wieso Konrad? Rene wäre mir – trotz allem - lieber gewesen.
Die ersten Begegnungen des Tages nutzte Jenny dafür, ihre Verabredungen für die nächsten zwei Wochen abzusagen. Wenn sie Hausarrest hatte, waren nur Schule und Handballtraining erlaubt. Meist zog Jennys Mutter die gesamte Zeit sowieso nicht durch. «Wenn du den ganzen Tag daheim rum hockst, ist das mehr eine Strafe für mich als für dich», meinte sie dann und lachte. Doch darauf verlassen konnte Jenny sich nicht.
Hoffentlich ist keine supercoole Megaparty in den nächsten zwei Wochen.
« Bist du noch gut heimgekommen am Samstag? », fragte Eva sie in der großen Pause.
« Wie man’s nimmt. Heim gekommen: ja. Mit Verspätung: ja. Erwischt worden: ja. Zwei Wochen Hausarrest dafür kassiert: ja. »
« Oh. Naja, hätte schlimmer kommen können. » Eva verkniff sich ein Grinsen.
« Ach ja? »
Jenny hielt Ausschau nach Rene. Sie war neugierig, wie er heute auf sie reagieren würde. Ob er sie, wie am Samstag, nochmal ansprechen würde? Ihre Augen glitten über die oberen Treppenstufen des Schulgeländes. Zuerst sah sie Konrad. Ihr Blick blieb neugierig an ihm haften. Er hatte eine große Schramme auf der Stirn und mehrere kleine um das linke Auge und die Wange. Er sah aus, als sei er in eine Prügelei geraten.
Oh nein, ein Schläger. Wie ätzend!
Am Ende der Pause ging Rene neben Konrad her und fuchtelte mit den Armen, während er ihm etwas erzählte. Konrad überragte Rene um einen Kopf. Sein Gang war aufrecht und die Hände steckten lässig in den Manteltaschen. Aufmerksam hörte er Rene zu und einmal zog sich sogar ein Lächeln über seine Lippen.
Er sieht wirklich gut aus. Ziemlich gut sogar.
Rene war in seiner Erzählung versunken und bemerkte Jenny nicht einmal, als er an ihr vorbei ging. Dafür sah Konrad sie an.
Was für Augen!
Wie geschliffene Schwerter blitzten sie auf, durchdringend hell, fast silbern. Jenny hielt die Luft an. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder bei sich war.
« Oder? » Nina stieß Jenny mit dem Ellenbogen an.
« Was? »
« Ich hab gerade gesagt », Nina wurde leiser und flüsterte schließlich: «Man kann über Konrad sagen, was man will, aber geil sieht er aus.»
Und die Augen erst!
« Hm, weiß nicht », erwiderte Jenny.
« Ach komm, du wirst doch wohl sehen, ob einer gut aussieht. Ich weiß ja: An deine Haut kommen nur Wasser und Rene. »
« Pscht! », zischte Jenny sie an.
Vor Renes Klassenzimmer versetzte Rene Konrad gerade einen freundschaftlichen Stoß. « Weißt du Konrad, du solltest lieber Handball spielen. Kampfsport ist was für große Jungs. »
Zum ersten Mal hörte Jenny Konrad lachen. Und es hörte sich gut an.
Also Sport, keine Schlägerei.
Aus welchen Gründen auch immer: Der Gedanke beruhigte sie. Vielleicht war er doch nicht so übel, dieser Konrad.
4. Kapitel
Kein Lüftchen weht. Jenny ist aufgeregt, orientierungslos. Ihr ist schrecklich warm. Dann endlich, jemand hält ihre Hände, ganz fest. Es ist Konrad. Sie stehen sich gegenüber. Schauen sich tief in die Augen. Sie spürt seine Anspannung, genauso wie er ihre. Sie halten sich fest. Angst umgibt sie. Sie sind nicht allein. Sie erwarten das Schlimmste. Sie wissen, dass es zu spät ist, um zu fliehen. Dunkle Wolken ziehen auf, nehmen ihnen das Licht.
Das war ihr noch nie passiert: Einen Traum weiter träumen. Es war beängstigend und interessant zugleich. Und dann von Konrad! Er hatte etwas Geheimnisvolles, etwas Magisches, etwas, das er wie einen Duft hinter sich herzog.
Ach du spinnst ja!
Jenny hetzte die Treppen hinauf. Sie wurde langsamer, als sie sah, dass Rene und ein paar seiner Mitschüler vor seinem Klassenzimmer standen. Darunter auch Yvonne und Nicole, die jede Gelegenheit nutzten, sich über Jenny und ihre Schwärmerei für Rene lustig zu machen. « Sie ist nur neidisch », hatte Nina dazu gesagt. « Rene kann dich leiden und das nervt sie. »
Oh nein!
Es hatte sich noch nicht bis zu Yvonne und ihren Anhängerinnen rumgesprochen, dass Jenny nicht mehr in Rene verliebt war, oder besser gesagt, dass sie fest vorhatte, es nicht mehr zu sein. Vergeblich versuchte sie, sich leise weiter die Treppe hochzuarbeiten. Da sie spät dran war, konnte sie sich nicht unauffällig unter andere Schüler mischen.
Kaum hatte Yvonne Jenny entdeckt, warf sie sich an Renes Brust. « Oh, liebster Rene. Du bist ja so ein süßer Schnuckel », sagte sie
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