Der Waechter
dich an einen Ort führt, wo es etwas zu tun gibt, für jemanden der deine Fähigkeiten hat. So was ist selten. Es ist so eine Art Auftrag der Gesandten. Daher sind wir auch alle sehr beeindruckt. In der Regel ist nur wenigen von uns vorbehalten, in aufwendigen, energetischen Ritualen und Gebeten in engeren Kontakt mit den Gesandten zu treten. Möglicherweise vernimmt derjenige dann auch einen Ruf, der ihm persönlich in eigener Sache weiterhilft, aber sicher ist das nicht. Es ist dann mehr so eine Art Befragung eines Orakels, verstehst du?»
«Ja!» Sie verstand.
Nicht nur die Begeisterung und die Ungläubigkeit der Anwesenden, sondern auch das Gefühl des unendlichen Glücks, das sie empfunden hatte, während sie in das Licht der Gesandten gehüllt war. Kein Wunder saß Konrad noch immer vollkommen zufrieden und in sich ruhend da.
«Dann war der Ruf auch der Grund dafür, weshalb ich überhaupt in der Lage gewesen bin, all das zu tun, was ich gestern Nacht getan habe? Ich hätte doch niemals so viel Kraft aufbringen und mich dann wieder so gut erholen können, oder?»
Arthur schien das Gleiche gedacht zu haben.
«Das erklärt einiges. Die übermächtigen Stoßwellen, die mich und den Mächtigen umgehauen haben. Ich habe mich schon gefragt, wo die herkamen», sagte er zu Jennys Überraschung.
«Hast du denn nicht gemerkt, dass ich da bin?», fragte sie.
Arthur schüttelte den Kopf.
«Ich habe gemerkt, dass etwas da ist. Aber ich hatte keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Erst als die anderen mir erzählt haben, dass du sie geholt hast, war mir klar, dass du es gewesen sein musstest. Deshalb wollte ich ja unbedingt wissen, wie du das gemacht hast. Und wie du dort hingekommen bist. Wenn du Konrad aufspürst, wundert mich das nicht, aber mich? Deine Fähigkeiten sind ein wahres Rätsel.»
Benedict wandte sich an Konrad und Jenny.
«Habt ihr ihn erkannt? Den Menschen hinter dem Mächtigen? Ist er euch schon mal begegnet?»
«Ich konnte ihn nicht sehen. Sein Licht war zu dicht für mich und seine Stimme war verzerrt», sagte Jenny.
«Nein, ich konnte ihn auch nicht erkennen, denn ich sehe es so, wie Jenny es sieht. Übrigens, es ist fantastisch, was du alles siehst. Diese Farben.» Dann sah er zu Arthur. «Meine Herrn, nicht übel!» Womit er auf Arthurs imposantes, kraftvolles Licht anspielte.
Jenny kicherte. Du solltest dich mal sehen!
« Aber er hat dich erkannt», fuhr Konrad fort und sein Gesicht schien plötzlich alles andere als glücklich. «Er sagte: du? Er kennt dich. Auch wenn er dich vorher offensichtlich nicht im Verdacht hatte, die Auserwählte zu sein.»
Jenny schluckte und Arthur sprach aus, was sie alle dachten: «Jetzt schon.»
18. Kapitel
Am Ende war eins klar: Jenny war möglicherweise aufgeflogen und musste so schnell wie möglich lernen zu kämpfen und ihre Kräfte zu steuern. Ihr persönlich war es am Wichtigsten zu lernen, sich gegen die Fähigkeiten anderer abzuschirmen, insbesondere gegen Cynthias Gedankenleserei. Das leuchtete allen ein und sollte angeblich zu den leichter erlernbaren Dingen gehören. An nächster Stelle stand auf Jennys Prioritätenliste die Steuerung der Seelenwanderung, sodass sie nicht unerwünscht an irgendwelchen Orten auftauchte, was ihr den Zorn von Menschen einhandelte, die sie mochte. Ihr war klar, dass sie dann auch keine Ausrede mehr hatte, wenn sie wirklich mal beim Lauschen erwischt wurde, aber das Opfer nahm sie in Kauf. Außerdem würde sie gleichzeitig lernen, wie sie nicht so leicht entdeckt wurde, so war ein gewisser Ausgleich wieder hergestellt. Das Thema Zeitreise war, wie sich herausstellte, ein großes Reizthema.
«Um Gottes willen Jenny! Du wirst keinesfalls gezielte Reisen machen, um Veränderungen vorzunehmen.» Samuel schlug die Hände über dem Kopf zusammen. «Wir wissen doch noch viel zu wenig über diese Fähigkeit. Und stell dir mal vor, was geschieht, wenn du dir plötzlich selbst in einer Situation begegnest, zu einer Zeit, in der du noch nichts von deinem jetzigen Leben weißt? Dein vergangenes Ich wäre reif für die Klappsmühle und natürlich wäre dann auch dein Weg von da ab ein anderer. Nicht auszudenken, wie sehr das Raum-Zeitgefüge durcheinandergeriete. Und dann gehst du plötzlich in irgendeiner Zeit verloren! Das geht auf keinen Fall!»
Alle nickten bestätigend.
«Du darfst dich keinesfalls einfach mit jedem Fragment verbinden, das dir interessant erscheint, nur weil du es kannst», warnte Cynthia.
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