Der Wächter
von seinem Lehrauftrag an der Universität organisierte er auch noch Tagungen, Workshops und Seminare. Er schrieb sogar Dramen.
Nach Ethans Erfahrung begingen fleißige Menschen selten Gewaltverbrechen, egal, welche Qualität ihre Bestrebungen hatten. Nur in Filmen frönten erfolgreiche Manager neben ihren beruflichen Verpflichtungen routinemäßig Dingen wie Mord, Totschlag und schwerer Körperverletzung.
Im Allgemeinen waren Kriminelle berufliche Versager oder einfach nur faul. Oder sie hatten ihr materielles Vermögen durch Erbschaft oder auf ähnlich bequeme Weise erworben. Der Müßiggang ließ ihnen Zeit für böse Pläne.
Dr. Spetz-Mogg hatte keine Erinnerung an Rolf Reynerd. Durchschnittlich besuchten dreihundert ums berufliche Überleben kämpfende Schauspieler seine Wochenendkurse. Darunter hinterließen nur wenige einen bleibenden Eindruck.
Als Ethan und Hazard sich erhoben, ohne dem Professor zu drohen, ihm Stromkabel an die Genitalien zu klemmen, um ihn zu foltern, begleitete Spetz-Mogg sie sichtlich erleichtert hinaus und schloss danach sofort die Tür. Anschließend war er zweifellos schleunigst zur Toilette gerannt, weil seine Eingeweide den aufgesetzten britischen Gleichmut Lügen straften.
»Diesem Lackaffen hätte ich eigentlich schon aus Prinzip eins auf die Nase geben sollen«, sagte Hazard nun, da sie wieder im Wagen saßen.
»Verdirb dir bloß nicht die Karriere«, entgegnete Ethan.
»Was sollte das denn für ein Akzent gewesen sein?«
»Adam Sandler, der James Bond spielt.«
»Genau. Mit einem Tick Schwarzenegger.«
Als sie Westwood hinter sich gelassen hatten, vergeudeten sie viel zu viel Zeit, um Dr. Gerald Fitzmartin aufzuspüren, jenen, der den von Reynerd besuchten Kurs für Drehbuchautoren geleitet hatte.
Nach Auskunft der Universität, an der Fitzmartin lehrte, war er über die Feiertage nicht verreist, sondern zu Hause. Als Hazard dort anrief, meldete sich jedoch nur der Anrufbeantworter.
Fitzmartin wohnte in Pacific Palisades. Sie fuhren über Nebenstraßen dorthin, die weniger für schwere Geländewagen geeignet zu sein schienen als für Gondeln.
Im Hause Fitzmartin reagierte niemand auf die Türglocke. Möglicherweise erledigte der Eigentümer gerade Weihnachtseinkäufe, vielleicht hatte er aber auch keine Zeit, zur Tür zu kommen, weil er gerade ein neues Geschenk für Channing Manheim in eine schwarze Schachtel packte.
Der Nachbar wusste Bescheid: Am Montagmorgen sei Fitzmartin mit dem Krankenwagen ins Cedars-Sinai Medical Center geschafft worden. Wieso, blieb vorläufig im Dunkeln.
Als Hazard im Krankenhaus anrief, musste er feststellen, dass man den Datenschutz dort für wichtiger als gute Beziehungen zur Polizei hielt.
Unter einem Himmel, der so fleckig wie der lädierte Körper eines Boxers war, fuhr Ethan wieder auf die Stadt zu. Der Wind rang mit den Bäumen, die den Kampf manchmal verloren gaben und Äste aufs Pflaster fallen ließen, die daraufhin den Verkehr behinderten.
Auf den Straßen ging es genauso turbulent zu wie am Himmel. An einer Kreuzung hatten sich zwei Personenwagen ein Gefecht geliefert, das mit beiderseitigem K. o. geendet hatte. Fünf Ampeln weiter hatte ein Truck einen Lieferwagen auf die Hörner genommen.
Ethan lenkte den Wagen mit einer Vorsicht, die sich zu einem hinderlichen Argwohn steigerte. Ein furchtbarer Gedanke ging ihm ständig durch den Kopf – da er schon einmal überfahren worden war, passierte ihm das womöglich bald wieder, nur auf einer anderen Straße, und dann stand er vielleicht nicht mehr von den Toten auf.
Währenddessen strapazierte Hazard ununterbrochen sein Telefon. Es ging um den Namen des wiederum an einer anderen Hochschule lehrenden Professors, jenes, der das eintägige Seminar zum Thema Publicity und Selbstvermarktung veranstaltet hatte.
Ohne die Hand vom Lenkrad zu nehmen, warf Ethan einen Blick auf seine Armbanduhr. Der Tag floss schneller dahin als das Regenwasser in den Abzugskanälen.
Er musste vor fünf wieder im Palazzo Rospo sein. Man durfte Fric in dem riesigen Haus nicht allein lassen, besonders nicht an einem derart seltsamen Tag.
Das Cedars-Sinai Medical Center lag am Beverly Boulevard in einem Stadtteil von Los Angeles, der auf Beverly Hills machte. Sie trafen um 14.18 Uhr ein.
Dr. Gerald Fitzmartin lag auf der Intensivstation, zu der man ihnen den Zutritt verwehrte. Im Wartezimmer saß der Sohn des Professors und freute sich sichtlich über die Abwechslung, konnte sich jedoch offenbar
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