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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Hasses. Als beide Überzeugungen sich als hohl erwiesen, hatte sie aber keine davon aufgegeben, sondern sie mit Eiskrem ergänzt.
    Corky hatte seine Mutter nicht gehasst. Er hasste niemanden.
    Auch Neid empfand er für niemanden.
    Nachdem er gesehen hatte, wie seine Mutter von ihren Götzen im Stich gelassen worden war, hatte er beiden abgeschworen. Schließlich hatte er keine Lust, im Alter keinen anderen Trost zu haben als seine Lieblingssorte Karamellbonbons.
    Vor vier Jahren hatte er seiner Mutter heimlich einen Besuch abgestattet, und zwar mit der Absicht, sie rasch und gnädig im Schlaf zu ersticken. Stattdessen hatte er sie dann mit einem Schürhaken zu Tode geknüppelt wie die Figur einer Erzählung, die im ironischen Stil von Anne Tyler begann und mit der rauen Feder eines wutschnaubenden Norman Mailer beendet wurde.
    Obwohl der Akt mit dem Schürhaken nicht geplant gewesen war, hatte er eine befreiende Wirkung gehabt. Nicht, dass Corky Vergnügen an seiner Gewalttätigkeit gefunden hätte. Das war durchaus nicht der Fall.
    Die Entscheidung, seine Mutter zu ermorden, war eigentlich so emotionslos gewesen wie der Entschluss, in die Aktien einer renommierten Firma zu investieren. Auch die Tötung selbst hatte er mit derselben kühlen Effizienz vollzogen, mit der er eine Umschichtung an der Börse vorgenommen hätte.
    Als Wirtschaftswissenschaftlerin hatte seine Mutter dafür sicher Verständnis gehabt.
    Sein Alibi war wasserdicht gewesen. Er hatte ihr Vermögen geerbt, und das Leben ging weiter. Sein Leben jedenfalls.
    Während er nun das letzte Stück Schokoriegel in den Mund steckte, fühlte er sich zuckersanft und schokoladenmilde.
    Er wollte Reynerd zwar immer noch umbringen, aber die unkluge, zwanghafte Hetze war verflogen. Er würde sich Zeit nehmen, die Tat zu planen.
    Wenn er dann handelte, würde er seinen Plan gewissenhaft ausführen. Diesmal sollte das Kissen sich nicht in einen Schürhaken verwandeln.
    Als ihm auffiel, dass von seinem gelben Regenmantel eine Menge Wasser auf den Sitz geflossen war, seufzte er, ohne jedoch etwas zu unternehmen. Corky war zu sehr Anarchist, um sich Gedanken über Polster zu machen.
    Außerdem musste er über Reynerd nachbrüten. Da sich hinter Rolfs mürrischem Äußerem ein ewiger Halbstarker verbarg, hatte er der Versuchung nicht widerstehen können, das sechste Päckchen persönlich abzuliefern. Des Nervenkitzels wegen.
    Dieser Trottel hatte, nur weil er sie nicht sehen konnte, gedacht, es gebe keine Überwachungskameras an der Außenmauer.
    Gibt’s etwa keine weiteren Planeten im Sonnensystem , hatte Corky ihn gefragt, bloß weil du sie am Himmel nicht erkennen kannst?
    Als Ethan Truman, Manheims Sicherheitschef, vor seiner Tür gestanden hatte, war Reynerd fassungslos gewesen. Wie er zugab, hatte er sich verdächtig verhalten.
    Während Corky die Schokoriegelhülle zerknüllte und in den Abfallbeutel stopfte, wünschte er sich, Reynerd ebenso leicht entsorgen zu können.
    Schlagartig fiel der Regen auf einmal heftiger als während des ganzen bisherigen Unwetters. Die Sintflut riss widerspenstige Eicheln von dem Baum, unter dem Corky geparkt hatte, und schleuderte sie auf den BMW. Sie prasselten über den Lack, den sie dabei bestimmt verkratzten, und prallten von der Windschutzscheibe ab, ohne diese allerdings zerplatzen zu lassen.
    Eigentlich gab es keinen Grund, hier unter dem Dauerbeschuss von Eicheln herumzusitzen und Reynerds Ableben zu planen, bis ein morscher, tausend Pfund schwerer Ast abbrach, auf den Wagen stürzte und Corky zum Lohn für seine Sorgen zermalmte. Er konnte zur Tagesordnung übergehen und nebenbei Pläne für den Mord schmieden, während er sich um andere Dinge kümmerte.
    Corky fuhr einige Meilen zu einem beliebten, noblen Einkaufszentrum und parkte dort in der Tiefgarage.
    Er stieg aus dem BMW, legte seinen Regenmantel und den unförmigen Südwester ab und warf beides auf den Boden vor den Rücksitzen. Dann schlüpfte er in einen sportlichen Tweedsakko, der gut zu seinem Pullover und den Jeans passte.
    Ein Aufzug brachte ihn aus der Unterwelt zur oberen der beiden Etagen voller Läden, Restaurants und sonstigen Attraktionen. Hier befand sich auch die Spielhalle.
    Da Schulferien waren, drängten sich junge Menschen um die Konsolen. Die meisten waren noch keine sechzehn Jahre alt.
    Die Maschinen piepten, klingelten, läuteten, gongten, blökten, zwitscherten, pfiffen, ratterten, dröhnten, kreischten, quietschten, heulten und röhrten

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