Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
außerdem besaß er detailliertes Wissen über den Detonator. Wenn es also nicht seine Nazifreunde waren, die die Bombe gelegt haben, dann waren es Leute, mit denen er anderweitig zu tun hatte. Und einen großen Bekanntenkreis scheint er ja nicht gehabt zu haben.«
» Du willst dich wirklich mit denen anlegen?«
Sie nickte. » Jonas Vestergaard haben sie förmlich bei sich versteckt gehalten. Und Bjarne durfte trotz seiner Sympathie für die Nazis bei ihnen arbeiten. Benjamin genauso. Wer weiß, was sich bei denen noch alles verbirgt.«
Storm nickte.
» Wusstest du eigentlich, dass Benjamin, der verschwundene Benjamin, ebenso wie Jonas bei den Pioniertruppen war? Und dass er ebenso wie Jonas psychische Probleme hat? Das kann doch kein Zufall sein.«
» Okay, du hast mich überzeugt …«
» Und diesmal bleiben wir am Ball, egal was Kampmann sagt, egal ob wir auf alte Kollegen vom PET oder auf wen auch immer stoßen.«
Storm zögerte. » Wir bleiben dran.«
» Nikolaj?«, rief Niels vom anderen Ende des Wegs und rannte ihnen entgegen.
» Was ist?«, fragte Storm.
Niels blieb stehen und rang nach Luft. » Wir haben … unseren … Zapruder-Film … besser gesagt … ein Foto … aus Japan«, brachte er mühsam hervor.
Er zog einen A4-Umschlag aus seiner Jacke und gab ihn Storm. Der öffnete ihn und nahm ein paar Fotos heraus.
» Herr Sugimoto, ein japanischer Tourist, befand sich zehn Minuten bevor die Bombe explodierte auf dem Kongens Nytorv. Er hat ein paar Bilder von seiner Frau gemacht. Das ist sie.« Niels zeigte auf eine dicke japanische Frau in blauem Regenmantel, die vor dem Ritterdenkmal Aufstellung genommen hatte. » Im Hintergrund fährt unser Bombenfahrzeug vorbei.« Hinter der Frau, am großen Anker beim Nyhavn, war ein dunkler Ford Transit zu erkennen.
» Wir haben das Bild so weit vergrößert, dass man sieht, wer hinter dem Steuer sitzt.«
Storm sah sich das nächste Foto an. Niels hatte recht. Es bestand kein Zweifel. Hinter dem Steuer saß Jonas Vestergaard, und er war allein im Auto.
» Damit können wir die Islamisten wohl endgültig abhaken«, sagte Niels.
*
Storm stand in T-Shirt und Pyjamahose am Schlafzimmerfenster im ersten Stock und blickte auf den Vorgarten hinaus. Der Mond warf ein fahles Licht auf den Rasen, auf dem ein umgekipptes Dreirad lag. Als er von der Beerdigung nach Hause gekommen war, hatte er es gar nicht bemerkt. Das Bild von Jonas ging ihm nicht aus dem Kopf. Dieses Foto durfte keinesfalls an die Presse gelangen. Niemand, der nicht unmittelbar an den Ermittlungen beteiligt war, durfte es zu Gesicht bekommen. Kampmann hatte ihn beglückwünscht. Hatte das Foto outstanding genannt. So war er binnen eines Tages vom Versager zum Helden geworden. Dennoch wurde Storm das Gefühl nicht los, dass er sich langsam sein eigenes Grab schaufelte. Sie hinkten den Ereignissen ständig hinterher.
» Willst du dich nicht hinlegen?«, fragte Helle im Bett hinter ihm.
» Komme gleich«, murmelte er ohne sie anzusehen. Er fürchtete sich bereits vor der schlaflosen Nacht.
Er wollte sich gerade umdrehen, als er das Auto bemerkte, das auf der anderen Straßenseite parkte. Die Seitenscheibe war heruntergelassen. Der Mann hinter dem Steuer rauchte und blies den Rauch durch das offene Fenster. Als er die Zigarette aus dem Mund nahm, sah Storm, dass der Mann zu ihm nach oben blickte.
Storm fuhr herum und lief zur Tür.
Helle warf ihm einen erschrockenen Blick zu. » Nikolaj, was ist los?«
Er sprang in großen Sätzen die Treppe hinunter und rannte zur Haustür.
Der Mann warf die Zigarette aus dem Fenster.
Storm spurtete über den Rasen. Der ältere und sehnige Mann lächelte ihn kühl an und hielt sich vielsagend den Zeigefinger vor die Lippen. Storm hob das umgekippte Dreirad an seinem Lenker hoch. Der Mann legte den ersten Gang ein und gab Gas.
Mit aller Kraft schleuderte Storm das Dreirad hinter dem Auto her, verfehlte es jedoch.
Storm blieb am Straßenrand stehen und sah keuchend den Rücklichtern nach, die sich im Dunkel verloren. Den Mann hinter dem Steuer hatte er nie zuvor gesehen und hatte auch keine Ahnung, wer ihn geschickt haben mochte. Sein Gefühl, dass er seit einiger Zeit verfolgt wurde, hatte ihn also nicht getrogen. Und jetzt hatte dieser Mann sich in voller Absicht zu erkennen gegeben. Seine Botschaft war eindeutig gewesen: Er solle den Mund halten, sonst …
Er blickte zum Schlafzimmerfenster hinauf, an dem Helle stand. Er traute sich nicht, den Gedanken
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