Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
zu Ende zu denken.
Am nächsten Tag fuhr er Helle und die Mädchen zu ihrem Ferienhaus, das an der Sejrø-Bucht lag. Helle fragte nie nach seiner Arbeit, und er erzählte auch nie davon. Das war eine stillschweigende Vereinbarung zwischen ihnen. Und auch wenn sie versuchte, dies zu verbergen, so wusste er um ihre Nervosität, wenn er sie hin und wieder wegschickte.
» Wann wird das je aufhören, Nik?«
» Bald«, entgegnete er ohne sie anzusehen. Seine Gedanken waren bereits bei Katrine und ihrer Aussage, dass niemand ungeschoren davonkommen würde.
Seine Glock lag in seinem Schulterholster unter dem Vordersitz. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sie zuletzt außerhalb des Schießstands benutzt hatte. Doch er würde nicht zögern, sie einzusetzen. Das war er Henrik und Tom und den dreiundzwanzig Toten vom Kongens Nytorv schuldig.
51
Die drei schwarzen Range Rover fuhren mit hoher Geschwindigkeit und ausgeschalteten Scheinwerfern den schmalen dunklen Waldweg entlang. Im vordersten Wagen saßen L. T. und Løvengren in Begleitung der Leibwächter von Valhal Securities. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Die Autokolonne fuhr dem baufälligen Bauernhof entgegen, in dem sie die Anwärter getestet hatten. Die drei Fahrzeuge hielten auf dem Vorplatz. Ein vierter Range Rover stand bereits vor der eingestürzten Scheune. Ein Tarnnetz war darübergebreitet, damit er aus der Luft nicht zu erkennen war. Løvengren und die anderen stiegen aus. Es waren insgesamt zwölf Männer, die dunkle Hosen und schwarze Kampfjacken trugen.
Løvengren ging zur Haustür. Ihm folgte L. T. mit einer Sporttasche in der Hand. Als die Tür sich öffnete, schnitt ein schmaler Lichtkeil durch die dunkle Nacht.
Sie gingen in den Wohnraum, der von ein paar Petroleumlampen erhellt war.
Auf dem Bett in der Ecke kauerte ein Mann, dessen Kopf auf die Brust hing. Zwei von Løvengrens Leibwächtern standen neben ihm.
» Richte dich auf«, sagte Løvengren.
Als es nicht schnell genug ging, packten ihn die beiden Sicherheitsleute und zwangen seinen Kopf nach oben.
Der Schein der Petroleumlampen offenbarte sein übel zugerichtetes Gesicht. Løvengren sah ihn ausdruckslos an.
Er machte eine kurze Handbewegung, worauf L. T. die Sporttasche vor ihn auf den Tisch stellte.
Løvengren zog ein Paar schwarze Lederhandschuhe aus seiner Tasche.
» Wie ich gehört habe, wolltest du einfach abhauen, nachdem du von Bjarnes Tod erfahren hast. Wo wolltest du hin?«
Benjamins Blick flackerte.
» Zur Polizei. Zum PET ? Oder nach Hause zu Mama?« Das Leder knirschte, als Løvengren die engen Handschuhe überzog.
» Ich weiß nicht … Ich hatte Angst … Ich war in Panik.«
» Warum? Wovor hast du Angst gehabt?«
Benjamin schluckte. » Vor … Ihnen.«
Løvengren zuckte verwundert die Schultern. » Hab ich dir je Anlass gegeben, vor mir Angst zu haben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich vermute, dass du nach denen hier gesucht hast …«
Er zog den Reißverschluss der Tasche auf und nahm die beiden Baseballschläger heraus. Auf beiden klebte Dreck und geronnenes Blut. Er legte sie auf den Tisch. » Nach den Schlägern, die du zusammen mit Bjarne benutzt hast. Mit denen ihr den Mann im Bregnehøjpark erschlagen habt.«
Benjamin starrte die beiden Schläger sprachlos an.
» Ich kann dir versichern, dass es eure Schläger sind«, sagte Løvengren. » L. T. hat sie im Amager Fælled selbst ausgegraben. Ich glaube, dieser hier gehört Bjarne.« Er nahm einen Schläger und wog ihn in der Hand. » Den braucht er jetzt nicht mehr. Aber die Polizei wird größten Wert darauf legen, deinen in die Finger zu bekommen.«
Benjamins Unterlippe zitterte. » Sagen Sie mir, was ich tun muss, damit sie ihn nicht bekommt.«
Løvengren warf ihm einen verächtlichen Blick zu. » Die Polizei ist jetzt dein geringstes Problem, Benjamin.«
Er nickte den beiden Sicherheitsleuten zu, die Benjamin packten und vor Løvengren auf den Boden stießen.
Benjamin begann leise zu wimmern.
» Wir haben dich gewarnt, dich mit Bjarne einzulassen. L. T. hat an mich hingeredet, dich weitermachen zu lassen. Er hat seine Ehre für dich aufs Spiel gesetzt, und du hast ihn im Stich gelassen.«
Benjamin schaute zu L. T. hinüber. » Es tut mir so leid …«
» Was hat er von deiner Entschuldigung? Dein illoyales Verhalten hat bewiesen, dass L. T. andere Menschen nicht beurteilen kann. Ich kann mich also genauso wenig auf ihn verlassen wie auf dich.«
Benjamin wandte den Blick ab.
Weitere Kostenlose Bücher