Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
schreiben sollten. Sie erwogen, Mustafa um Rat zu fragen. Obwohl er der Jüngste in ihrer Gruppe war, war er doch auch der Gebildetste von ihnen. Mustafa würde wissen, wie man einem Mullah zu antworten hatte. Sie hatten allerdings keine Zeit, ihm ausführlich die ganze Situation zu erklären. Darüber hinaus wussten sie nicht, wie loyal er gegenüber Faris war. Also mussten sie sich selbst etwas einfallen lassen, ehe Faris zurückkam. Ehe es zu spät war.
» Also, was schreiben wir?«, fragte Hamza.
» Woher soll ich das wissen?«
Hamza kratzte sich seine Narbe, die quer über seine Wange lief. » Wir danken ihm erst mal, oder?«
Jamaal zuckte die Schultern. » Ich brauche noch einen Joint.« Er griff nach der Plastiktüte mit den Blättchen und dem Marihuana.
» Ich glaube, ich habe eine Idee.« Hamza begann zu schreiben. Zusätzlich zu all den Dankesformeln und Lobpreisungen schrieb er, seien sie stolz, Allahs Krieger zu sein.
Jamaal las den Text auf dem Bildschirm und zündete sich den Joint an.
» Hörte sich saugut an.« Er nahm einen tiefen Zug. » Schreib, dass noch weitere Aktionen folgen werden. Kopenhagen wird im Blut ertrinken.«
Hamza schnappte sich den Joint aus seinen Fingern. » Wir bomben sie in die Hölle.« Er hieb mit einem Finger auf die Tastatur ein.
» Schreib auch, dass wir unsere Brüder in Peschawar und Afghanistan rächen werden.«
Hamza nickte. » Ja, die Ungläubigen werden mit ihrem Blut bezahlen.« Sie hörten, dass unten jemand an der Haustür war.
» Beeil dich!«, sagte Jamaal.
Hamza versteckte rasch die Nachricht und schloss das Fenster auf dem Monitor.
Sie begrüßten Faris, der ins Wohnzimmer kam. Er beschwerte sich sofort über den Geruch.
» Wisst ihr nicht, dass die Gläubigen weder rauchen noch trinken, sondern die Gesetze des Koran und des Propheten befolgen?«
Sie achteten nicht auf ihn.
7
Im kleinen Vernehmungsraum des Kopenhagener Polizeipräsidiums saß Ebrahim auf der äußersten Stuhlkante. Die Hände ruhten in seinem Schoß.
» Bin ich festgenommen? In diesem Fall möchte ich wissen, wo mein Anwalt ist.«
Er schaute zu Storm, dann zu Tom hinüber, der an der Tür lehnte.
» Jetzt beruhige dich«, antwortete Storm. » Natürlich bist du nicht festgenommen.« Er zog einen Stuhl an den Tisch heran und setzte sich Ebrahim gegenüber. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und klang müde.
» Wir haben ein Treffen der Imamgruppe angeregt, doch niemand ist darauf eingegangen. Also sind wir gezwungen, mit jedem Einzelnen zu sprechen.«
» Wer sollte uns das übel nehmen?«, fragte Ebrahim. » Nach den willkürlichen Festnahmen der letzten Zeit gibt es keinen Gesprächsbedarf. Warum beschäftigt ihr euch nicht lieber mit den Neonazis, die Moscheen geschändet und unschuldige Menschen überfallen haben?«
Storm wusste allzu gut, dass die Zahl der Hassangriffe auf die muslimische Minderheit explosionsartig angestiegen war und ihre Ermittlungen hinterherhinkten.
» Wir sind keine Denunzianten«, erklärte Ebrahim.
Storm schüttelte den Kopf. » Natürlich nicht. Doch zum einen gab es keine willkürlichen Festnahmen, und zum anderen brauchen wir jede erdenkliche Hilfe, um die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen zu können. Das sollte doch auch in eurem Interesse sein.«
Er musterte Ebrahim, der den Kopf abwandte.
» Natürlich. Aber wenn die Festnahmen berechtigt sind, wie du sagst – wie viele Anklagen sind bisher erhoben worden?«
» Wir sind nicht verpflichtet, Anklage zu erheben«, sagte Tom und trat näher an ihn heran. » Ein begründeter Verdacht reicht völlig aus.« Er schnippte mit den Fingern. » Und schon schnappt die Falle zu.«
» Die Falle ist ziemlich leer, lieber Freund.« Ebrahim zuckte die Schultern.
Storm wusste, dass er recht hatte. Die hundertneununddreißig Festnahmen der letzten Tage standen auf äußerst wackligem Grund. Nichts als alte Bekannte und Bekannte dieser Bekannten. Außer dem psychisch kranken Mahmood, der einen Beamten bei der Festnahme tätlich angegriffen hatte, waren alle wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Zumindest war es ihnen durch die Festnahmen und die zunehmenden Patrouillen in den » Gettogebieten« gelungen, Nachahmungstäter abzuschrecken. Trotzdem standen sie nach zehn Tagen intensiver Ermittlungstätigkeit immer noch mit leeren Händen da. Selbst die ausländischen Geheimdienste hatten nichts zu vermelden. Die islamistischen Internetforen quollen über von Glückwunschbekundungen, doch in den
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