Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
Albtraum, aus dem sie nicht erwachen konnte.
Die Gerichtsverhandlung begann. Die Richterin blickte zum Staatsanwalt hinüber und bat ihn, die Anklageschrift zu verlesen. Gemeinsam mit den beiden Beamten, die in derselben Sache angeklagt waren, wurde Katrine beschuldigt, dem inhaftierten Søren Rohde Gewalt angetan zu haben. Der Übergriff war in der Sicherheitsverwahrung des Polizeipräsidiums geschehen, und zwar in der Nacht nach dem Großeinsatz, der zu seiner Festnahme geführt hatte. Die Anzeige war von einem Kollegen ergangen, der sich im selben Abschnitt des Gebäudes befunden hatte. Søren Rohde war später von einem Mitinsassen getötet worden. Die Anklage, so der Staatsanwalt, stütze sich daher auf eine Reihe von Zeugenaussagen und den Bericht eines Arztes, der ihn untersucht habe.
Katrine lehnte sich zu Høgsbro hinüber und flüsterte: » Was meint er mit einer Reihe von Aussagen?«
Er zuckte die Schultern und machte sich Notizen. » Bestimmt nur ein Versprecher.«
Katrine bezweifelte das.
Dann wurde sie gebeten, im Zeugenstand Platz zu nehmen. Zahlreiche Angeklagte hatte sie schon hier sitzen sehen. Manche waren stumm geblieben, andere waren völlig ausgerastet. Wieder andere hatten ihren Tränen freien Lauf gelassen. Einmal hatte sie zusammen mit einem Gerichtsdiener verhindern können, dass der Vorsitzende angegriffen wurde. Sie spürte, dass ihre Hände feucht waren. Unabhängig davon, wie die Angeklagten sich aufgeführt hatten, war sie nie an ihnen selbst interessiert gewesen. Hatte immer nur gewollt, dass sie verurteilt wurden. Dass die Beweise hielten.
» Wie lautet Ihr Name?«, fragte die Richterin.
Katrine schaute zu Palsby hinüber und räusperte sich. Sie gab Namen, Alter und ihren Dienstrang als Kriminalrätin an. Eine Stelle, die sie seit fast vier Jahren innehatte.
» Was haben Sie in der Zelle von Søren Rohde getan?«
» Ich wollte die Handfesseln entfernen, die ihm während der Festnahme angelegt worden waren.«
» Warum hat man ihn sechs Stunden lang gefesselt? War dies eine Art Bestrafung?«
Sie schüttelte den Kopf. » Davon weiß ich nichts.«
» Wer hat die Entscheidung getroffen, ihn in Zelle zwei unterzubringen, wo die Überwachungskamera defekt war?«
Katrine zögerte, hatte jedoch noch ihre eigene Stimme im Ohr, die befohlen hatte, ihn in die hinterste Zelle zu bringen. Jemand hatte sie auf die defekte Kamera hingewiesen, und sie hatte geantwortet: » Umso besser!«
» Daran kann ich mich nicht erinnern. Wir haben ihn in der Zelle untergebracht, die gerade frei war. Ich habe die Kamera nicht überprüft.«
Palsby machte sich Notizen. » Warum waren Sie zu dritt, als seine Handfesseln entfernt wurden?«
» Weil der Festgenommene äußerst erregt war. Wir wollten kein unnötiges Risiko eingehen.«
» Haben Sie eine Decke über ihn gelegt?«
Sie schüttelte abwehrend den Kopf. » Nein, daran kann ich mich nicht erinnern.« Sie log und sah mit aller Deutlichkeit vor sich, wie sie die Decke über Søren Rohde geworfen hatte.
» Haben Sie das getan, damit der Inhaftierte nicht sehen konnte, wer ihn überfiel?«, fragte Palsby weiter.
» Wie gesagt, ich erinnere mich an keine Decke.«
Die Decke hatte dazu gedient, die äußeren Verletzungen zu minimieren. Der älteste Trick der Welt.
Palsby hob die Stimme. » Aber Sie haben ihn getreten, nicht wahr?«
» Nein«, antwortete Katrine, während sie immer noch spürte, wie ihre Fußspitze Søren Rohde hart in die Seite traf.
Palsby nahm seine Brille ab und zeigte damit auf sie.
» Aber Sie wurden dabei beobachtet, wie Sie Søren Rohde mehrmals getreten haben, während er auf dem Boden lag. Wie oft genau haben Sie ihn getreten?«
» Ich habe, wie gesagt, nur seine Handfesseln entfernt. Das war alles. Danach ließen wir ihn schlafen.«
Während Palsby seine Fragen stellte, ließ sie die Episode vor ihrem inneren Auge Revue passieren. Es hatte Tritte und Schläge gehagelt. Keiner hatte sich zurückgehalten. Es war eine Art Rausch gewesen, in dem sie ihre monatelangen Frustrationen abreagiert und sich an dem Monster gerächt hatten, das endlich vor ihren Füßen lag.
Bei jeder weiteren Frage von Palsby sah sie ihm fest in die Augen und gab ihm ohne zu zögern die Antworten, die sie mit den beiden Beamten verabredet hatte. Er hätte sie an einen Lügendetektor anschließen können, und es hätte nicht den geringsten Ausschlag gegeben.
Nachdem Palsby seine Befragung beendet hatte und es ihm nicht gelungen war, sie in
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