Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
Zeugenstand Platz nahm. Er war blasser um die Nase, als sie ihn in Erinnerung hatte. Anscheinend war sein neuer Job beim Geheimdienst ziemlich anstrengend. Tom Schæfer lächelte Palsby zu, als dieser mit seinen Fragen begann. Tom bestätigte die Aussagen der beiden vorigen Zeugen und erklärte, er selbst habe in jener Nacht Lärm gehört, als er an Rohdes Zelle vorbeigegangen war. Durch die offene Tür habe er dann mit eigenen Augen gesehen, wie Kriminalrätin Katrine Bergman den Inhaftierten getreten habe. Er wollte sie aufhalten, doch sie habe einfach die Tür zugeworfen. Danach habe er den Vorfall bei seinen Vorgesetzten gemeldet. Palsby dankte ihm melodramatisch für seinen Mut, die Angelegenheit nicht vertuscht zu haben.
Høgbros Versuch, Tom zu diskreditieren, verlief danach im Sande. Da die beiden Beamten seine Aussage stützten, fiel Høgbros Theorie, Tom habe nur seine eigene Karriere im Sinn gehabt, in sich zusammen. Dass Høgbro dennoch nicht locker ließ, machte die Sache angesichts seines Rufs auch ich besser.
Ein Schwarm Tauben flatterte auf und flog über den Platz vor dem Gerichtsgebäude. Katrine schlug den Kragen ihrer Lederjacke hoch. Sie zündete sich eine Zigarette an und stieß den Rauch aus, der wie schwerer Nebel in die kalte Luft stieg.
» Noch ist die Messe nicht gelesen«, sagte Høgsbro. » Ich werde die beiden schon dazu bringen, ihre Aussage zu revidieren. Es liegt doch auf der Hand, dass das hier ein abgekartetes Spiel war.«
» Was sollen wir jetzt machen?«, fragte Katrine.
» Wir haben vierzehn Tage Zeit, um Revision einzulegen. Wenn Chip und Chap da vorne«, er zeigte auf die beiden Beamten, die hastig in ein wartendes Taxi stiegen, » auch nur den kleinsten Fleck auf ihrer weißen Weste haben, dann werde ich ihn finden und die beiden diskreditieren. Das gilt auch für Schæfer, diesen Falschspieler. Dann wird die Anklage in sich zusammenstürzen wie ein Kartenhaus.«
» Tom hat keinen Dreck am Stecken. Er ist ein ehrgeiziger Scheißkerl, aber der lässt sich nichts zuschulden kommen.«
Høgbro schüttelte den Kopf. » Jeder hat irgendeine Leiche im Keller, glauben Sie mir.«
Er gab ihr rasch die Hand, ehe er die Straße hinuntereilte und verschwand.
Sie schnippte ihre Zigarette in einem Bogen über den Platz.
Die beiden waren mit einem Bußgeld von dreitausend Kronen davongekommen. Sie würden zwar keine Karriere mehr machen können, doch zweifelte sie daran, dass sie das je gewollt hatten. Sie waren mit dem zufrieden, was sie hatten. Heute Abend würden sie mit ihren Kumpeln Bier trinken und feiern, dass die Sache glimpflich abgelaufen war und sie der alten » Lesbe« alles in die Schuhe geschoben hatten. Außerdem würden sie weiterhin mit der Abreibung prahlen, die sie Søren verpasst hatten. Sie selbst hatte Saajid nur widerwillig von dieser Episode erzählt, als der innere Druck zu groß wurde. Danach war sie völlig zusammengebrochen.
» Fuck!«, stieß sie unwillkürlich aus, als ihr klar wurde, was das Urteil bedeutete. Nicht nur ihre berufliche Karriere wäre zu Ende, sondern sie würde auch für neunzig Tage in den Knast wandern müssen. Dennoch bereute sie nicht, was sie getan hatte.
Nur, dass sie sich hatte erwischen lassen.
*
Palsby frühstückte in seinem Büro. Zwei Käsebrote und eine Tasse Kaffee. Er ging gerade die Anklageschrift gegen drei Skinheads durch, die einen Kioskbesitzer überfallen hatten, als sein Handy vibrierte. Er schaute auf das leuchtende Display, die Rufnummer war unterdrückt.
Er hob ab. » Palsby.«
Am anderen Ende klickte es mehrfach, als würde ein Zahnrad langsam in Bewegung gesetzt. Dann hörte er eine metallische Stimme. » Gut gemacht, Palsby, meinen Glückwunsch.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Es war lange her, dass er einen Anruf von der Stimme erhalten hatte. Sie war bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, wie die Sprechfunktion eines Computers, nur weniger abgehackt. Außerdem waren Alter und Geschlecht des Sprechers nicht zu erkennen.
» Danke, aber das war keine große Sache.«
» Nicht so bescheiden«, sagte die Stimme. » Ihre Professionalität und Ihr hohes fachliches Niveau haben einen großen Eindruck hinterlassen.«
» Nochmals vielen Dank.«
» Aber es gibt noch mehr zu tun. In Kürze werden ein paar interessante Fälle auf der Tagesordnung stehen.«
» Ich höre.«
» Es geht um mehrere Ausweisungen.«
Er hob die Brauen. » Gibt es etwas Neues hinsichtlich des Terroranschlags?«
Die Stimme
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