Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
ignorierte seine Frage. » Es ist für Sie von äußerster Wichtigkeit, diese Fälle selbst in die Hand zu nehmen.«
» Das werde ich tun. Danke für die Information.«
» Keine Ursache. Fürs Protokoll.«
Er zögerte einen Augenblick. » Fürs Protokoll.«
Palsby legte auf und hielt noch eine Weile sein Handy in der Hand. Auch nach so vielen Jahren kam ihm diese Abschiedsformel immer noch schwer über die Lippen. Trotz ihres juristischen Untertons hatte sie etwas Banales. Ihre genaue Bedeutung kannte er nach wie vor nicht.
Das Ganze hatte während seines Jurastudiums begonnen. Zunächst hatte er es für den Scherz einiger älterer Semester gehalten. Für eine Art Studentenverbindung, die nur wenigen Auserwählten vorbehalten war. Doch hatte er nie eine formelle Einladung erhalten und auch nie herausbekommen, wer sich hinter der geheimnisvollen Stimme verbarg. Damals hatte es sich um die Lösung irgendwelcher Prüfungsaufgaben sowie um einen lukrativen Studentenjob gehandelt. Seit dieser Zeit hatte ihn die metallische Stimme mehrmals im Jahr angerufen. Hatte ihn stets mit Informationen über Dinge versorgt, die in der Zukunft passieren würden. Teils ging es um freie Stellen oder um juristische Fälle, die für seine weitere Karriere von Bedeutung sein konnten. Man hatte nie irgendwelche Forderungen gestellt, auf welche Art und Weise er die Aufgaben lösen sollte, und er war auch nie dafür bezahlt worden. Doch hatten sich die Dinge stets zu seinem persönlichen Vorteil entwickelt. Als hätte er seinen eigenen Schutzengel. Ein paarmal hatte er gefragt, wer sich hinter der Stimme verberge und was es mit dem » Protokoll« auf sich habe. Doch hatte die Stimme nie darauf geantwortet, und so hatte er es irgendwann aufgegeben zu fragen. Stattdessen hatte er versucht, irgendein Muster in den Fällen zu erkennen, die von der Stimme angekündigt wurden, doch schien zwischen ihnen kein Zusammenhang zu bestehen. Die einzige Gemeinsamkeit war, dass sie seinem persönlichen Fortkommen dienten. In dieser Hinsicht schien das » Protokoll« für ihn zu arbeiten, nicht umgekehrt. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, anderen von der Stimme oder dem » Protokoll« zu erzählen. Vor allem aus Eitelkeit. Er genoss den Respekt, der ihm aufgrund seiner Erfolge und seiner strahlenden Karriere entgegengebracht wurde. Wenn die Stimme recht hatte – woran er nicht zweifelte –, dann waren die von ihr angekündigten Ausweisungsfälle äußerst prestigeträchtig und konnten ihn auf der Karriereleiter in höchste Höhen katapultieren. Dorthin, wo die Luft ziemlich dünn war.
» Oberstaatsanwalt«, murmelte er vor sich hin. Ein hübsches Wort. Mithilfe der Stimme würde er eines Tages vielleicht sogar auf dem Richterstuhl am Obersten Gericht sitzen.
Lächelnd biss er von seinem Käsebrot ab. Es waren gute Zeiten.
9
DIE VERARMUNG IST UNSERE WAFFE
Unser Ziel ist nah. Bald wird die Schlange sich um das Land winden. Wenn dieser Kreis geschlossen ist, werden alle Ungläubigen gefangen sein wie in einem Schraubstock. Denn wir haben einen Abgrund geschaffen zwischen der weitblickenden Herrschergewalt und der blinden Kraft des Volkes, sodass beide ihre Bedeutung verloren haben. Wie der Blinde mit dem Stock sind beide für sich machtlos.
K apitel III : E roberungsstrategie
Katrine drehte den Zündschlüssel. Der alte Mitsubishi Colt sprang widerwillig an. Sie legte den Rückwärtsgang ein und wollte gerade losfahren, als jemand gegen die Seitenscheibe klopfte. Saajid stand draußen und war außer Atem. Mit dem Schraubenzieher, der die abgebrochene Handkurbel ersetzte, drehte sie die Scheibe nach unten.
» Was gibt’s?«
Er war ganz außer Atem. » Ich hab heute von dir in der Zeitung gelesen.«
» Und?«
» Bist du okay?«
Sie zuckte die Schultern. » Warum sollte ich nicht okay sein?«
» Wegen dem Prozess, deiner Kündigung.«
» Die fechten wir an. Außerdem ist die Polizei nicht mein ganzes Leben.« Sie wich Saajids Blick aus und begann, die Scheibe wieder nach oben zu drehen.
» Wo willst du hin?«
» Nur ein bisschen fahren.«
Er legte den Finger auf die obere Kante der Scheibe. Sie hielt inne.
» Tut mir leid, dass ich neulich einfach gegangen bin.«
» Vergiss es, Saajid.«
Er lächelte. » Vielleicht können wir uns später treffen … Fatima ist bei ihrer Familie und …«
Sie warf ihm einen kühlen Blick zu. » Damit solltest du lieber nicht rechnen.« Sie legte erneut den Rückwärtsgang ein und setzte aus der
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