Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
hatte sie vergessen, es mitzunehmen. Wenn Faris sich näherte, blieb ihr nichts anders übrig, als laut zu rufen und darauf zu hoffen, dass irgendwelche Einsatzkräfte in der Nähe waren.
» Beeil dich, du Schwein, sonst bring ich dich um«, hörte sie eine Männerstimme mit starkem Akzent, die aus dem Dunkel kam.
Katrine ging instinktiv in die Hocke und spähte umher. Sie konnte nicht orten, aus welcher Richtung die Stimme kam.
» Schneller, hab ich gesagt … Willst du sterben?«
» Nein … ich tue ja, was Sie sagen.« Sie erkannte Toms Stimme. Er war in Panik.
» Also los.«
Sie kroch hinter einen der niedrigen Büsche, die sich an einer Seite des Wegs entlangzogen. Aus dem Dunkel sah sie zwei Gestalten auf sich zukommen. Tom zuerst, Faris dahinter. Faris hatte Tom im Nacken gepackt und stieß ihn vor sich her, während er mit seiner Pistole herumfuchtelte. Er war ein paar Köpfe größer als Tom und sehr viel breiter gebaut. » Ich hoffe fast, dass sie uns auflauern, damit ich dich endlich abknallen kann.«
» Da unten ist niemand«, sagte Tom mit tränenerstickter Stimme. » Ich schwöre es.«
Sie waren jetzt weniger als zehn Meter von ihr entfernt. Katrine sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem sie sich verteidigen konnte. Er war bewaffnet und fünfzig Kilo schwerer als sie. Ihr einziger Vorteil war das Überraschungsmoment. Sie würde nur eine einzige Chance haben. Der erste Schlag musste sitzen. Sie nahm einen abgebrochenen Ast und wog ihn in der Hand, doch er war nicht schwer genug. Sie ließ ihre Hände über die Erde des Beets gleiten, bis sie die Reihe der Pflastersteine ertastete.
In diesem Moment gingen Faris und Tom an ihr vorbei. Sie musste Faris angreifen, während er die Treppe hinunterging. Ein Pflasterstein schien ein bisschen lose zu sein. Mit beiden Händen bekam sie ihn frei.
» Los, du Schwein, die Treppe runter!«
Der Augenblick war gekommen. Sie richtete sich auf und zwängte sich durch das niedrige Gebüsch. Faris und Tom waren schon auf der Treppe. Sie musste laufen, wenn sie die beiden noch erreichen wollte.
Faris wandte den Kopf, als er ein Geräusch hörte.
Katrine holte weit aus und traf ihn mit dem Pflasterstein an der Schläfe.
Faris riss Tom im Fallen um, und gemeinsam stürzten sie die Treppe hinunter. Mit ohrenbetäubendem Knall löste sich ein Schuss.
Im nächsten Moment war sie über ihm. Trat ihm die Pistole aus der Hand und rammte ihm das Knie in den Solarplexus. Sie ballte die Fäuste und schmetterte sie ihm auf die Ohren, woraufhin er für einen Moment das Bewusstsein verlor.
Katrine wandte sich an Tom. » Schnell, die Handfesseln!«
» Äh … was?« Tom schaute sich orientierungslos um.
Sie hatte keine Zeit für lange Erklärungen und durchsuchte Toms Taschen. Sie fand das Bündel mit Plastikstrips und riss ein Paar heraus. Dann drehte sie Faris auf den Bauch und fixierte ihm die Hände auf dem Rücken.
» Hilf mir, ihn aufzurichten.«
Der Schuss hatte Aufmerksamkeit erregt. Polizeibeamte und Anwohner kamen ihr entgegen, als sie Faris die Treppe hinaufführte. Das Blut lief aus seiner klaffenden Kopfwunde und befleckte seinen weißen Qamis. Tom ging ein paar Schritte hinter ihnen. Mit zwei Fingern hatte sie ihm Faris’ Pistole gegeben, die er nun vor sich hertrug wie eine Tüte mit Hundescheiße.
Storm trat auf sie zu, warf zunächst einen Blick auf Faris und all das Blut, danach auf Katrine. Er schien die Situation noch nicht richtig einordnen zu können. » Danke«, sagte er schließlich, während die Beamten Faris in Empfang nahmen und ihn abführten.
Sie nickte und sah sich um. Den Einwohnern stand der Schock ins Gesicht geschrieben. Der Mann, der abgeführt wurde, war in ihren Augen kein Verbrecher, sondern einer von ihnen. Ein heiliger Mann, den die » Schweine« übel zugerichtet und festgenommen hatten. Falls Faris vorgehabt hatte, zum Märtyrer zu werden, dann war dies das Zweitbeste, was ihm passieren konnte.
In der Ferne entstand ein Tumult, weil die Polizisten ihre Schlagstöcke ziehen mussten, um die Leute von dem Auto zu verscheuchen, in das Faris verfrachtet wurde.
Sie entdeckte Saajid, der neben weiteren jungen Männern an der Mauer stand. Ihre Blicke trafen sich kurz, ehe er in der Menge verschwand.
Bereits jetzt fühlte sie sich wie eine Ausgestoßene.
24
» Kommst du, Benjamin?«, fragte Jan, der in der Türöffnung stand.
Er war ein bulliger Typ, dessen Tätowierungen sich weit den Hals hinaufzogen.
» Noch zwei
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