Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
Minuten. Geh ruhig schon los«, antwortete Benjamin ohne vom Bett aufzublicken, das er mit militärischer Präzision machte.
Gemeinsam mit zwölf anderen Anwärtern waren sie in einem Gebäude von Valhal Securities einquartiert worden. Es lag im Industriegebiet, unmittelbar hinter dem Firmensitz, und war so exklusiv eingerichtet, wie Benjamin es vom Militär nicht gewohnt war. Sie wohnten in Zweibettzimmern, es gab ein riesiges Fitnesscenter und einen Aufenthaltsraum mit DVD s und Playstations. Das Essen in der Kantine war ausgezeichnet, weit entfernt von dem Fraß, den er in der Skive-Kaserne und auf Bornholm und vor allem im Camp Armadillo bekommen hatte. Jeder von ihnen hatte einen individuellen Speiseplan erhalten, als wären sie Elitesportler bei einem Topverein. Er selbst sollte ein paar Kilo an Muskelmasse zulegen, während die Mehrzahl der Anwärter eher abnehmen sollten. » Zehn Kilo«, beklagte sich Jan in einer Tour.
Benjamin betrachtete zufrieden sein Bett. Jans Bett sah hingegen, so wie immer, ziemlich unordentlich aus. » Eine offene Fotze« hatte Oberfeldwebel Folmer von der Skive-Kaserne so ein Bett genannt, dessen Decke ständig zur Seite geschlagen war.
Er betrachtete sich im Spiegel. Sie alle hatten zwei Khakihosen, ein Paar Kampfstiefel und vier schwarze T-Shirts ausgehändigt bekommen. Auf der linken Brustseite der T-Shirts stand in kleiner Schrift » Valhal Securities«, auf dem Rücken in Großbuchstaben » ANWÄRTER «. Es war schön, wieder eine Uniform zu tragen.
Benjamin ging den Gang hinunter. Er schaute auf die Uhr. Noch zehn Minuten, bis in Halle B das erste Training des Tages begann.
Løvengren hatte in der Kantine eine Begrüßungsansprache gehalten. Er konnte sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, doch ein Zitat, das Løvengren benutzt hatte, war ihm im Gedächtnis geblieben. Es stammte von Napoleon. » Unterbrich niemals deinen Feind, während er einen Fehler begeht.« Den meisten war dieser Satz sehr seltsam vorgekommen, und Løvengren hatte erklärt, was er bedeutete. Er hatte einen doppelten Sinn. Als Sicherheitskoordinator befand man sich in einer exponierten Position. Der Feind konnte sich versteckt halten, konnte darauf warten, dass man einen Fehler beging, und dann zuschlagen. Aber es gab auch die umgekehrte Situation. Manchmal konnte es notwendig sein, den Feind aus seinem Versteck zu locken. Die eigene Schwäche vorzutäuschen, um ihn zum Angriff zu verleiten. Dies und noch viel mehr würden sie hier lernen. Von den Besten der Besten.
Es hatte ihn überrascht, dass die Anwärter für die dreiwöchige Ausbildungszeit unter einem Dach wohnten. Benjamin war davon ausgegangen, dass er jeden Morgen zum Dienst erscheinen würde, aber auf diese Weise konnte er sich voll und ganz auf den Kurs konzentrieren. Außerdem sollten sie später zusammenarbeiten, da war es nur von Vorteil, sich rechtzeitig kennenzulernen.
Benjamin betrat die Halle B, die ungefähr so groß wie ein Fußballfeld war, vielleicht sogar noch ein wenig größer. In dieser Halle würde ein Großteil ihres Trainings stattfinden. Hier befand sich Brick City. Sie bestand aus einer Reihe von Trennwänden, die verschiedene Häuser darstellen sollten, damit sie Rettungseinsätze und die Evakuierung von VIP s trainieren konnten. Die Gassen waren schmal und unübersichtlich, sodass die Ausbilder sie von allen Seiten angreifen konnten. Während der Übungen benutzten sie Paintball-Markierer, doch ohne die übliche Sicherheitsausrüstung. Manche Anwärter erlitten Verletzungen, nachdem sie am Kopf getroffen wurden, und mussten genäht werden. Er selbst war mit ein paar blauen Flecken davongekommen.
Er ging zu den anderen hinüber und wartete darauf, dass die Ausbilder mit dem Training des heutigen Tages beginnen würden. Die meisten der Anwärter hatten militärische Auslandseinsätze hinter sich, andere hatten als Wächter oder Türsteher gearbeitet. Das waren diejenigen, die jetzt die größten Schwierigkeiten hatten. Denen man ständig alles erklären musste. Die sich über alles beklagten.
Zwei Anwärter waren bereits am ersten Tag ausgeschieden. Der eine hatte den physischen Belastungstest nicht bestanden, der andere kam mit all den Vorschriften und Restriktionen nicht zurecht. Er sagte, sie erinnerten ihn zu sehr an seine Zeit im Gefängnis. Benjamin verstand, was er meinte. Sie alle hatten einen Vertrag unterschrieben, demzufolge sie das Gelände während der Ausbildung nicht verlassen durften.
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