Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
Während seiner Zeit im Camp war es nicht viel anders gewesen. Er kannte sogar Soldaten, die während ihres gesamten Auslandseinsatzes nicht ein einziges Mal aus dem Camp herausgekommen waren. In den fünf Tagen, die er jetzt hier war, hatte er seine Medizin noch nicht angerührt. Als würden der feste Rahmen und die konstante körperliche Betätigung der Angst keinen Raum lassen. Ihn von seinen negativen Gedanken befreien. Den Hass und die Paranoia ersticken.
Bjarne trat zusammen mit zwei anderen Ausbildern durch die Tür und gab in aller Kürze das Programm des heutigen Tages bekannt. Sicherheitsformationen und Nahkampf sollten trainiert werden. Zunächst wurden die verschiedenen Box-Formationen demonstriert, mit denen man die zu schützende Person je nach Gefahrenlage abschirmen konnte. Dann waren die Anwärter an der Reihe, die sich in ihren Rollen abwechselten. Mal waren sie die Beschützer, mal die zu schützenden Personen. Was nicht besonders schwer war. Man musste sich nur darauf konzentrieren, die jeweilige Position innerhalb der imaginären Box abzudecken, die man einnahm, und die Umgebung genau im Auge zu behalten. Schwieriger war es da schon, als Point Guard zu agieren, also derjenige zu sein, der entschied, in welche Richtung sich die Kolonne bewegen sollte. Man musste sich unablässig vergewissern, dass die angepeilte Route auch sicher war. Musste stets signalisieren, wo die nächste Gasse oder ein potenzielles Risiko lag. Nach einer Viertelstunde als Point Guard war man fix und fertig.
» Hübsch anzuschauen, Jungs!«, rief Bjarne. » Mit diesem Getänzel könnt ihr bald an jedem Abtanzball teilnehmen.« Er blickte in die Runde und bestimmte Jan zum nächsten Point Guard. » Aber so eine Box zu bilden ist leicht, wenn man nicht unter Druck steht. Wollen wir doch mal sehen, ob ihr die ganze Scheiße auch in Legoland zusammenhaltet.« Er zeigte nach hinten auf die Attrappe einer Stadt. » Abmarsch!«
Sie hatten gerade die erste Ecke passiert, als Bjarne den hintersten Mann angriff. Er trat ihm die Füße weg und drang ohne Weiteres bis zu der Person vor, die geschützt werden sollte. » PENG !«, rief er laut und stieß dem Mann seinen ausgestreckten Zeigefinger in den Nacken. Der Anwärter verzog vor Schmerz das Gesicht, sagte jedoch nichts.
» Das geht viel zu leicht, ihr Schlappschwänze. Also noch mal!«
Ein weiteres Mal marschierten sie zwischen den Stellwänden hindurch. Es war schwierig, seine eigene Position einzuhalten und blind darauf zu vertrauen, dass die anderen dies auch taten und zudem dafür sorgten, dass man nicht von hinten überrascht werden konnte. Benjamin war der Erste, der um die Ecke bog. Aus dem Augenwinkel heraus nahm er einen Schatten auf dem Boden wahr. Instinktiv verlagerte er sein Gewicht auf das rechte Bein. Als Bjarne ihm entgegenstürmte, war er bereit. » WEG WEG WEG !«, schrie er, wie er es gelernt hatte. Dann ließ er Bjarnes Eigengewicht die Arbeit verrichten. Bekam seine Jacke und einen Arm zu fassen und ließ ihn über die Hüfte rollen. Bjarne krachte schwer zu Boden. Die anderen zogen den VIP rückwärts aus der Gefahrenzone heraus, während er und Jan Bjarne am Boden hielten.
Bjarne starrte ihn grimmig an, als er wieder auf die Beine kam. » Gut, Benjamin. Ich glaube, wir können dich ein bisschen mehr fordern.«
» Ich nehme es, wie’s kommt«, entgegnete er nervös.
Für den Rest des Tages nahm Bjarne ihn hart ran, als wollte er sich für die erlittene Niederlage rächen.
Nach dem Abendessen ging Benjamin gleich in den Waschraum. Die anderen waren im Aufenthaltsraum und vertrieben sich ihre Zeit an den Playstations. Normalerweise tat er das auch, aber an diesem Abend war er zu geschafft. Stattdessen nahm er sein Handy, nachdem er sich abgetrocknet hatte. Er hatte bereits versucht, Allan anzurufen, hatte jedoch keine Netzverbindung gehabt. Er hätte ihm gern von seiner Ausbildung erzählt.
» Geht’s gut, Benjamin?« L. T. stand in der Tür zur Umkleide.
Benjamin nickte. » Ganz schön anstrengend, aber es geht schon.«
» Das kannst du hier übrigens nicht benutzen«, sagte L. T. und zeigte auf Benjamins Handy.
» Hab schon gemerkt, dass hier kein Netz ist.«
» Wenn wolltest du denn anrufen? Deine Freundin?«, fragte er spöttisch.
Benjamin schüttelte den Kopf. » Nee, ich hab keine. Ist mir zu anstrengend.«
» Wen denn dann?«
» Nur einen Kumpel.«
L. T. kam zu ihm.
» Wir haben einen Störsender installiert, damit man vom
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