Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
dir.«
Sie traten wieder hinaus in den Regen. » Und, bist du klüger geworden?«, fragte Storm.
Katrine zuckte die Schultern und zündete sich eine Zigarette an, über die sie schützend die Hand hielt.
» Ich glaube, wir sollten uns die Videos noch mal ansehen«, antwortete sie.
» Die der französischen Botschaft?«
» Alle.«
Er zögerte einen Moment, ehe er sagte: » Das wird Tage, vielleicht Wochen in Anspruch nehmen.«
» Das weiß ich.«
» Ich bin nicht sicher, ob wir so viel Zeit haben. Außerdem haben wir die meisten schon geprüft. Was erwartest du noch zu finden?
Sie zog an ihrer Zigarette. Dann sah sie ihn forschend an.
» Wer wollte diesen Ort in die Luft sprengen, Nikolaj?«
Er schüttelte den Kopf. » Das … ist die große Frage.«
» Eben. Wir wissen doch überhaupt nicht, ob es Islamisten waren. Es kann genauso gut ein verpickelter Junge aus Brønshøj sein, der ein bisschen was von Chemie versteht, aber frustriert darüber ist, dass er noch nie ein Mädchen gefickt hat.«
Ihre Wortwahl überrumpelte ihn. » Das kann natürlich sein. Aber suchen wir nicht nach einem Motiv, das etwas plausibler ist?«
Sie zuckte die Schultern.
» Bei Bombenlegern ist das Motiv kein so wichtiger Faktor«, sagte Niels.
Sie drehten sich beide zu ihm um. Er errötete über die plötzliche Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde.
» Sprich weiter«, forderte ihn Storm auf.
» Bei dem Bombenmann aus Gladaxe, der in den Siebzigerjahren fünf Bomben zur Explosion brachte, hat man nie ein Motiv entdecken können. Genau wie bei dem sogenannten Unabomber, Ted Kaczynski. Der hatte für die siebenundzwanzig Briefbomben, die er verschickt hat, auch kein bestimmtes Motiv. Vielleicht wird die Sache mit dem Motiv ohnehin überbewertet. Vielleicht reicht es dem Täter, dass er in der Lage ist, seinen Plan in die Tat umzusetzen.«
» Ja, vielleicht«, sagte Katrine und lächelte.
Tom schüttelte irritiert den Kopf. » Das hier war ein sorgsam geplantes Attentat, das hoch professionell ausgeführt wurde. Allein die Größe der Bombe, ihre Beschaffenheit …« Er machte eine weit ausholende Geste. » Das ist doch absolut der Stil von islamistischen Attentätern. Habe ich nicht recht, Laybourne?«
Laybourne nickte. » Absolut im Stil von Al Kaida.«
» Wenn wir nicht aufpassen, dann verpfuschen wir die Sache, weil wir die naheliegendsten Dinge nicht sehen wollen. Und du, Nikolaj, bekommt einen zweiten Søllerødgade-Fall.«
Storm warf ihm einen Blick zu, der Tom signalisierte, dass er zu weit gegangen war, doch seine Stimme blieb ruhig. » Ich schlage doch vor, dass wir uns auf den gegenwärtigen Fall konzentrieren. Privatmeinungen tun hier nichts zur Sache. Ich will, dass wir alle an einem Strang ziehen.«
Tom wandte den Blick ab. » Tut mir leid. Ich verstehe nur nicht, warum wir uns ein weiteres Mal die alten Aufnahmen ansehen sollen.«
Katrine zog heftig an ihrer Zigarette. Sie kannte diesen alten Fall nicht, auf den Tom anspielte, und eigentlich war ihr der auch vollkommen gleichgültig. Mit zwei Fingern schnippte sie die Zigarette in hohem Bogen über die Fahrbahn. » Weil ihr vielleicht auf einem Auge blind seid, Tom«, sagte sie.
» Wie meinst du das?«, fragte Tom.
» Habe ich nicht recht, dass die Personen, die euch auf den Videos aufgefallen sind, allesamt Ausländer sind? Ich rede von den Personen, die ihr vernommen und wieder auf freien Fuß gesetzt habt.« Sie sah zuerst Storm und dann Tom an. Keiner von ihnen antwortete. Sie nahm ihr Schweigen als Bestätigung.
» Aber wir wissen nicht, wer diesen Anschlag verübt hat. Das können doch Weiße, Schwarze oder Gelbe gewesen sein. Wir haben auch keine Ahnung, wie es mit einem möglichen Motiv aussieht. Und warum? Weil es keine physischen Beweise gibt, die in eine bestimmte Richtung deuten. Was die Art und Weise angeht«, sie schaute zu Laybourne hinüber, » bin ich mir auch nicht sicher, ob der Anschlag wirklich so professionell durchgeführt wurde.« Sie wartete nicht auf seinen Widerspruch. » Natürlich sind eine gewisse Planung und ein bisschen Know-how erforderlich, aber das ist auch alles.«
» Wie meinst du das?«, fragte Storm.
» Ich denke an die Ausführung. Zunächst fährt der Täter mit seiner hoch explosiven Ladung durch die Stadt. Als er hierherkommt, fährt er auch noch den zehn Zentimeter hohen Bordstein hoch. Und wenn das Café Felix wirklich sein Ziel gewesen sein sollte, dann bringt er es nicht einmal fertig, den Wagen direkt
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