Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
davor abzustellen. Stattdessen stürzt er aus dem Wagen und lässt sogar die Tür offen.«
Storm nickte. » Nach was für einem Täter sollten wir denn deiner Meinung nach suchen?«
» Wenn wir alle Dunkelhäutigen durchhaben, dann schlage ich vor, dass wir uns auf diejenigen mit heller Haut konzentrieren. Der Täter, nach dem wir suchen, scheint ein ziemlicher Chaot zu sein. Ein linkischer, unbeholfener Typ, ungepflegt, nachlässig gekleidet, hypernervös, vielleicht sogar ein Psychopath, der sich auffällig verhält, sich panisch umschaut, einfach wegrennt, mit sich selber spricht, jemand, dem man seine Gefühle sofort ansieht.« Sie schaute zu Niels hinüber. » Du kennst doch bestimmt das Durchschnittsalter eines Massenmörders.«
Niels lächelte. » Wenn man die letzten Amokläufe an Schulen außer Acht lässt, bei denen es sich in der Regel um Teenager oder um Leute Anfang zwanzig handelt, reden wir von einem Mann weißer Hautfarbe, der zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig Jahren alt ist. Wobei Massenmörder sehr viel älter sein können als die typischen Serienkiller.«
» Okay«, entgegnete Katrine. » Ich denke also, dass wir nach einem jungen Mann suchen und nicht nach einem älteren Kerl, der unzufrieden mit seinem Steuerbescheid ist.«
» Vielleicht sollten wir uns mal bei den weiterführenden Schulen und der Technischen Universität umhören«, sagte Storm. » Sollten die Dozenten fragen, ob es auffällige Schüler oder Studenten gibt, die ihr Studium geschmissen oder sonderbare Äußerungen von sich gegeben haben.«
Katrine nickte.
» Kümmerst du dich darum, Tom?«, sagte Storm.
» Ja«, antwortete Tom mechanisch.
» Habt ihr einen Überblick über sämtliche Audio- und Videoaufzeichnungen, Niels?«, fragte Katrine und wischte sich ihr regennasses Gesicht ab.
» Weit mehr als das.« Er lächelte sie geheimnisvoll an. » Wir haben sogar eine eigene Zeitmaschine gebaut.«
38
Niels führte Katrine und Storm durch die technische Abteilung bis zum Aufzug. Sie fuhren in den Keller und betraten einen langen Gang, auf dem klassische Musik zu hören war. Je näher sie der großen Eisentür an dessen Ende kamen, desto lauter wurde die Musik. Es war der dritte Satz aus Beethovens 9. Symphonie. Niels öffnete die Tür. Im nächsten Moment schlug ihnen die Musik und eine große Wärme entgegen.
An der gesamten linken Wand zogen sich die Server entlang, deren Kühlaggregate mit der Musik, die aus den Lautsprechern an der Decke drang, um die Vorherrschaft rangen. Über den Servern, in mehreren Metern Höhe, befanden sich zwölf Flachbildschirme an der Wand. Claus und ein Techniker saßen am Kontrollpult. Ihre Hemden waren schweißnass. Das hier war der Maschinenraum des PET .
» Macht doch mal des Gedudel leiser«, sagte Niels.
Claus musterte ihn kurz. » Das sind die Berliner Philharmoniker mit Karajan, du Banause.«
» Na toll. Das war auch der Lieblingsdirigent von Bin Laden.« Niels drehte sich zu Katrine um und verdrehte die Augen. Er zog einen Schreibtischstuhl für sie heran. » Setz dich doch.«
Als Claus Storm bemerkte, stellte er rasch die Musik ab, sodass nur noch das Brummen der Computer zu hören war.
Katrine blickte zu den vielen Monitoren auf. Sie alle zeigten Aufnahmen aus der Kopenhagener Innenstadt. Die meisten stammten von Überwachungskameras, doch auf einigen Bildschirmen waren auch Amateuraufnahmen zu sehen.
» Was ist das hier?«, rief Katrine gegen den Lärm an.
» Wir nennen unser System Polyphem, nach dem einäugigen Riesen, dem Odysseus begegnet ist. Es besteht aus insgesamt 518 Rechenknoten mit jeweils zwei Vierkern-Prozessoren, wodurch wir auf insgesamt 4144 Rechenkerne kommen. Die maximale Rechenleistung beträgt 50 Teraflops.« Niels lächelte stolz. » Wir können also ungefähr 50 Billionen Rechenoperationen in der Sekunde durchführen.«
» 48,1 Billionen«, berichtigte Claus.
Für Katrine waren das alles böhmische Dörfer. » Wie hilft uns das weiter, Niels? Du hast von einer Zeitmaschine gesprochen.«
Er nickte. »Wir haben sämtliches Videomaterial gespeichert, das um die Zeit des Bombenanschlags herum entstanden ist. Wir besitzen sämtliche Überwachungsfilme, öffentliche und private, und haben sogar Touristenfotos und private Videofilme beschlagnahmt.«
» Aber wie wird daraus eine Zeitmaschine?«
» Das gesamte Material ist synchronisiert und geografisch geordnet worden. Das heißt, dass wir uns mit einem Joystick«, er zeigte auf das
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