Der wahre Hannibal Lecter
Häftlingen ins Gespräch zu kommen. Reden Sie beruhigend auf sie ein. Ich hole in der Zwischenzeit das Rollkommando.«
Per Funk beordert er die Beamten der schnellen Eingreif-truppe zur Zentrale. Da die meisten an diesem Tag frei haben, werden sie von der Hiobsbotschaft zu Hause überrascht. Viele Beamte haben eine Werkswohnung direkt neben der Anstalt und können schnell zusammengetrommelt werden.
»Ausgerechnet heute, wo ich Dienst habe«, murmelt der Beamte, der den Vorfall gemeldet hat, vor sich hin. Ohne Eile geht er auf Maudsleys Zelle zu.
Unter den dreien ist inzwischen die totale Hektik ausgebrochen. Noch immer liegt David verängstigt am Boden und fleht um sein Leben.
»Das ist dein sicheres Ende«, droht Robert ihm wutentbrannt.
»Lass ihn doch bitte am Leben«, versucht Bill ihn zu beruhigen. Der Mut zu töten hat Bill längst verlassen, genau genommen in dem Moment, als er sah, dass ein Mensch nicht nur durch ein paar Schläge stirbt.
»Robert, tu ihm bitte nichts mehr, ich will nicht dass er stirbt«, fängt er an zu betteln.
»Ich sage, ich bin hingefallen und habe mich dabei verletzt«, redet David auf Robert ein.
Dessen blutunterlaufene Augen künden von unverminderter Wut. »Jetzt ist mir alles egal«, sagt er. »Aus diesem Scheißknast komme ich sowieso nicht mehr heraus, wenn das Gericht mich erneut verurteilt. Dann ist mein Leben kaputt, aber deines auch, du Weichei.«
Erneut schlägt Robert sein Opfer mehrmals mitten ins Gesicht. Bill versucht Robert daran zu hindern, was diesen nur noch mehr in Rage bringt. Wild springt er in die Höhe, packt Bill am Hemd und schreit ihn an: »Nochmals, wir ziehen das jetzt durch. Ich will diesen Kerl sterben sehen und sonst gar nichts. Was glaubst du, was hier in einer halben Stunde los ist?
Weißt du eigentlich, was ein Rollkommando in einem Gefängnis bedeutet? Circa dreißig Beamte werden die Zelle stürmen, um uns hier herauszuholen. Und das mit Gewalt.
Anschließend bekommen wir hausintern 28 Tage Dunkelhaft aufgebrummt. Dann entscheidet der Richter über uns.«
»Aber das ist doch immer noch besser als lebenslänglich.
Vielleicht sagt David ja die Wahrheit, und er ist gar nicht homosexuell? Mich jedenfalls hat er noch nicht angegangen«, redet Bill ihm ins Gewissen.
»Du bist mir vielleicht ein Held. Zuerst redest du wochenlang davon, dass du einmal in deinem Leben einen Menschen töten möchtest und dann, wenn es so weit ist, ziehst du den Schwanz ein. Entweder du machst jetzt mit, oder ich bringe euch beide um. Hast du mich verstanden?« Robert ist gar nicht mehr zu beruhigen.
Die Auseinandersetzung findet unmittelbar vor David statt, der nur noch darauf hofft, dass die Beamten bald eintreffen und dem Spuk ein Ende bereiten. Plötzlich hören die drei, wie sich ein Schlüssel in der Zellentür dreht. Mit einem Satz ist Robert am Tisch, nimmt ein Messer in die Hand und rennt zur Tür.
Die Zellenluke geht krachend auf. Der Beamte sieht Maudsley mit dem Messer in der Hand dastehen. Beschwörend redet er auf ihn ein: »Maudsley, tun Sie jetzt nichts, was Sie später schwer bereuen würden. Nehmen Sie Vernunft an, und legen Sie das Messer aus der Hand. Stürzen Sie sich nicht ins Unglück. Ihre Strafe haben Sie doch bald abgesessen. Wenn Sie jetzt einen Fehler machen, kommen Sie hier nie mehr raus.«
Doch Robert ist nicht zu bremsen: »Kommt nur, ihr Dreckskerle, ich lege euch alle um. Mach doch die Tür auf, wenn du dich traust. Dann bist du gleich der Erste, der dran glauben muss!«
»Komm, sei vernünftig, Robert, wir hatten unseren Spaß. So ernst meinst du das doch auch wieder nicht«, fällt Bill ihm ins Wort. Dann drückt er David ein Taschentuch auf die Wunden.
Inzwischen sind auch die anderen Gefangenen unruhig geworden. Natürlich haben alle mitbekommen, dass etwas Außergewöhnliches geschehen ist, denn das Geschrei war nicht zu überhören. Außerdem hätten sie längst ihr Mittagessen bekommen sollen.
Die Gelegenheit, einmal richtig »Bambule« (= Aufstand der Gefangenen in einem Gefängnis) zu machen, will sich keiner entgehen lassen. Ein Gefangener schlägt mit seinem Blechnapf gegen die Zellentür und brüllt unentwegt »Hunger«. Sofort findet er Nachahmer. Wie auf Kommando folgen ihm seine Kollegen, wie im Chor. Unglaublicher Lärm breitet sich aus.
Ein Proteststurm erhebt sich im ganzen Haus. Hunderte von Gefangenen poltern an ihre Zellentüren und schreien »Hunger«. Die Situation scheint zu eskalieren. Die
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