Der wahre Hannibal Lecter
Buben?«
Damit trifft Bill bei Robert einen wunden Punkt. Ein mächtiger Faustschlag trifft David am Kinn und streckt ihn zu Boden. Wie vom Blitz getroffen bleibt er sitzen, fassungslos und mit schmerzverzerrtem Gesicht. Als er sich langsam wieder aufrappelt, trifft ihn ein Fußtritt erneut mitten ins Gesicht. Blut läuft ihm in den Mund. David fasst sich an die Wange und spürt die warme, klebrige Flüssigkeit. Noch immer begreift er nicht, was die beiden wirklich von ihm wollen.
Raufereien gibt es ständig unter den Gefangenen, rast es ihm durch den Kopf, vielleicht hat er an diesem Morgen etwas falsch gemacht.
Er kennt die Geschichte Roberts aus tausend Erzählungen und kann nicht verstehen, wieso die beiden ausgerechnet ihn zu den Homosexuellen zählen. Er liebt doch nur Frauen. Wenn die beiden wüssten, was für erotische Briefe er nachts heimlich an seine Freundin schreibt. Sie würden ihn bestimmt nicht mehr als schwulen Kinderschänder bezeichnen. Dabei fällt David ein, wie eine seiner vielen Freundinnen einmal schwanger war und wie er sich darüber freute. Doch dann hat sie das Kind durch einen Unfall verloren. Damals dachte er, sie hätte abgetrieben und war maßlos enttäuscht. Er hatte sie deshalb sogar verlassen. Er konnte nicht verstehen, wie eine Frau so etwas tun konnte. Und jetzt soll er ein Kinderschänder sein.
»Ich kann euch nur nochmals versichern …«, fängt er wieder an. Erneut trifft ihn ein Fußtritt mitten ins Gesicht. Heftig schlägt sein Kopf auf dem Boden auf, und Blut strömt aus einer Platzwunde am Hinterkopf.
»Ist er jetzt tot?« Bill ist ziemlich verunsichert.
»So schnell krepiert ein Mensch nicht«, klärt Robert ihn auf.
Er sieht, dass Bill Angst hat. »Du bist ein Weichling. Was glaubst du, wie lange ein Mensch braucht, bis er stirbt. Hast du gedacht, das geht so schnell? Der Mensch ist zäh und hält einiges aus. Du hast noch viel zu lernen.« Todesangst überfällt David, als er hört, wie die beiden über ihn reden. Plötzlich hat er keine Schmerzen mehr, will nur dem Tod entkommen. Mit einer Hand bedeckt er seine Wunden, mit der anderen versucht er, sich beim Aufstehen zu stützen. Robert will ihm gerade den Arm wegschlagen, als sich erneut die Klappe der Zellentür öffnet.
Mittagessen
»Mittagessenausgabe«, ruft der »Hausel«. »Was ist, habt ihr keinen Hunger?« Der Mann ist erstaunt, dass sich keiner blicken lässt. Das ist er nicht gewohnt, denn meistens werden die Gefangenen schon vom Geräusch des Küchenwagens an ihre Zellentüren gelockt.
Neugierig streckt der Helfer des Wachbeamten seinen Kopf durch die Luke. Schnell zieht er ihn wieder zurück und dreht 88
sich zu dem Beamten hinter ihm um: »Die drei liegen hinten in einer Ecke. David ist voller Blut, die anderen sind über ihm.«
Vorsichtig lugt der erfahrene Beamte durch das offene Fenster, doch es ist niemand zu sehen. Er ruft in die Zelle: »He, ihr drei, sofort zur Tür kommen. Ich will euch sehen. Wenn ihr nicht sofort herkommt, hole ich das Rollkommando. Ihr wisst, was das bedeutet.«
»Schauen Sie noch einmal in die Zelle«, befiehlt er dem
»Hausel«, der sich darüber gar nicht erfreut zeigt. »Na, nun stellen Sie sich mal nicht so an«, wird er zurechtgestaucht.
»Aber…«, will er gerade beginnen, doch als er den vernichtenden Blick seines Vorgesetzten sieht, verkneift er sich jeden weiteren Protest. Kurz darauf meldet er: »Herr Wachtmeister, es ist noch immer die gleiche Situation. David liegt am Boden, die beiden über ihm. Maudsley hält David den Mund zu.«
»Machen Sie sofort die Klappe zu, nun machen Sie schon«, befiehlt der Beamte seinem Adlatus lautstark. »Essenausgabe unterbrechen, gehen Sie in Ihre Zelle, und schließen Sie ja die Tür hinter sich.«
»Selbstverständlich«, bekommt er prompt zur Antwort, und der Mann verschwindet zu seiner Zelle. Aber natürlich lehnt er die Zellentür nur an. Schließlich will er mitbekommen, was nun geschieht.
Aufgeregt ist der stark übergewichtige Beamte inzwischen zur Zentrale in der Mitte der Zellengänge gerannt. In einem Glaskäfig sitzt der leitende Vollzugsbeamte. Am Wochenende ist er der Herr des Hauses und für die Sicherheit des Gefängnisses verantwortlich.
Ohne Umschweife berichtet der kleine Beamte von dem Vorfall. Wer denn auf der Zelle liege, will sein Chef wissen.
Als er den Namen Maudsley hört, werden seine Gesten hektisch.
»Öffnen Sie sofort die Luke der Zellentür, und versuchen Sie, mit den
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