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Der wahre Sohn

Der wahre Sohn

Titel: Der wahre Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kühl
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Auto leihen, Sie machen einen respektablen Eindruck.»
    «Ich habe nicht mehr viel Geld.»
    «Dafür wird es doch reichen?», fragte Arkadij fast erschrocken.
    Sie schwiegen eine Zeitlang.
    «Damals war es schwierig», sagte Arkadij.
    «Ich staune sowieso, wie Sie hier rausgekommen sind, und dann noch so weit.»
    Arkadij lächelte.
    «Nicht schlecht, oder? Ich war wie ein Hund, den sie an der langen Leine suchen ließen. Ein paarmal habe ich es per Anhalter versucht. Bin sogar in die Nähe von Tschernobyl gefahren, um sie in die Irre zu führen. Oft war ich ohne Geld unterwegs, bin vor Erschöpfung auf irgendeinen Heuschober gekrochen und eingeschlafen. Ich hatte kein Rasierzeug dabei, keine Seife, bald stanken meine Sachen nach Schweiß, und die Hosen erst. Mit Ihnen dagegen …»
    «Sie wollen, dass ich Sie entführe?»
    «Sie Romantiker! Raus komme ich schon allein. Ich weiß auch, wie. Mittags holt immer einer von uns das Essen in großen Blechdosen aus der Küche. Ich könnte mal so tun, wenn ich nicht an der Reihe bin. In der Küche herrscht immer ein Durcheinander, da laufen die Mädchen und die Köche herum. Aber dahinter liegt die Spülküche, und die hat einen versteckten Ausgang, neben dem Anbau für die Vorlesungen. Da würde ich rauskommen. Falls ich nicht sowieso draußen bin zum Schachspielen.»
    «Und weiter?»
    «Wir verabreden einen Treffpunkt. Am besten unten an der Straße. Nicht an der Frunse, sondern an der Teliha. Damit keine Missverständnisse entstehen, dass Sie zum Beispiel an einem Punkt warten und ich stehe woanders. Verstehen Sie? Besorgen Sie nur ein Auto, damit wir schnell wegkommen.»
    «Ich glaube nicht, dass das erlaubt ist.»
    «Erlaubt, erlaubt. Sind Sie ein Feigling? Jetzt bin ich aber enttäuscht. Ich hatte mehr in Ihnen gesehen.»
    Konrad dachte nach.
    «Was hätte ich davon?»
    «Die Energie unserer Suche würde sich gegenseitig verstärken: Wir suchen ja beide etwas, Olha beziehungsweise das Auto. Beide sind miteinander verbunden.»
    Konrad erbarmte sich und fragte:
    «Warum?»
    «Das kann ich Ihnen sagen. Es ist einfach logisch.»
    «Logisch? Nach welcher verdammten Logik soll das logisch sein?»
    Arkadij kniff Augen und Lippen zusammen, senkte den Blick und faltete die Hände. Eine Tischplatte, unter die er sie schieben konnte, gab es nicht.
    «Also gut, entschuldigen Sie», sagte Konrad leiser. «Erklären Sie es mir, wenn Sie können.»
    «Ganz einfach», sagte Arkadij ebenso leise. «An diesem Punkt laufen die Fäden zusammen. Seit Sie damals in der Klinik aufgetaucht sind und mich nach dem Mercedes gefragt haben, habe ich viel nachgedacht. Im ersten Moment habe ich befürchtet, Sie sind der Mann, der meinen Vater umbringen will.»
    «Oh, wie schmeichelhaft.»
    «Woher sollte ich es denn wissen? Da draußen läuft einer herum, der es auf pensionierte Offiziere der sowjetischen Armee abgesehen hat.»
    «Woher wussten Sie das?»
    «Hat mir Vater erzählt.»
    «Na gut. Und dann?»
    «Dann fahren wir zu Olha.»
    «Nein, ich meine – was dachten Sie als Zweites?»
    «Dass das vielleicht wieder so ein durchsichtiger Versuch ist, mich auszufragen, etwas aus mir rauszukriegen. Man setzt eine naive, unbelastete Person auf mich an, die mein Vertrauen gewinnen soll.»
    «Ist das schon mal vorgekommen?»
    «Ja, im Gefängnis, aber unwichtig. Also, seien Sie mir nicht böse: Aber andernfalls hätte ich ja überzeugt sein müssen – entschuldigen Sie –, dass Sie verrückt sind. Wer sucht denn hier in einer psychiatrischen Klinik nach einem gestohlenen Auto aus Deutschland? Das ist doch irre. Weiter kam ich nicht. Ich konnte nur kurze Zeit am Tag nachdenken, irgendwelche Medikamente haben sie mir doch untergejubelt. Später kam mir die Vermutung, Sie könnten es vielleicht bildlich meinen, Sie würden mir irgendetwas andeuten und darauf vertrauen, dass ich es schon verstehe. Weil Sie Angst haben, man wird hier abgehört oder so. Sie sprechen von einem Auto und meinen vielleicht etwas viel Bedeutenderes. So wie Sie das einmal genannt haben.»
    «Metapher.»
    «Ja. Den Stein der Weisen, die Erleuchtung, was weiß ich. Den Sinn des Lebens, zum Beispiel. Vielleicht nur Ihres eigenen Lebens, aber das wäre ja auch schon viel. Und weil Sie nicht offen darüber sprechen können, machen Sie alle mit Ihrem Auto verrückt. Ich habe all diese Möglichkeiten durchgespielt.»
    «Und?», fragte Konrad in dem Wunsch, ironische Überlegenheit zu wahren.
    «Einmal haben Sie mich erschreckt. Da

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