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Der wahre Sohn

Der wahre Sohn

Titel: Der wahre Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kühl
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verstreuten sich auf dem Teppich.
    Konrad sprang auf, um sie einzusammeln.
    «Lassen Sie, ich mach das!»
    Da hatte er schon eines in der Hand. «Und wer ist das?»
    «Wer?»
    «Na, dieses junge Mädchen. Das ist doch der kleine Arkadij, an ihrer Hand, oder? Da macht er aber einen sehr glücklichen Eindruck.»
    «Ach, irgendein Kindermädchen. Ich weiß nicht mehr. Damals kamen sehr viele Menschen vom Land in die Stadt. Sie flohen aus den Dörfern, es gab zwei Missernten hintereinander, sie waren hungrig und suchten Arbeit. Man fand ganz leicht Haushaltshilfen oder ein Kindermädchen, für wenig Geld, sie standen an der Straße und bettelten. Die meisten musste man nach kurzer Zeit wieder fortschicken, weil sie unehrlich waren. Die Leute haben gestohlen.»
    «Wohin hat man sie geschickt?»
    «Na, zurück in ihre Dörfer im Süden, zu ihren Familien.»
    «Wann war das ungefähr?»
    «Mitte der dreißiger Jahre.»
    «Hier – wieder dasselbe Mädchen. Die scheint er sehr gemocht zu haben.»
    Diesmal riss sie ihm das Foto aus der Hand.
    «Ich wusste gar nicht, dass ich diese Bilder noch habe. Die wollte ich schon lange wegwerfen. Ein primitives Gesicht, nicht wahr? Diese Landpomeranzen. Ein bisschen einfältiger, man sieht es, Wangen wie Äpfel. Und diese große Nase. Nasenlöcher, in die man von der Seite hineinsehen konnte, ich mag das nicht.»
    Konrad sah genauer auf das Foto. Das Mädchen war ausgesprochen hübsch, es hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der schwarzhaarigen Patientin im Park der Klinik.
    «Ein sehr eindrucksvolles Gesicht», sagte er.
    «Eindrucksvoll? Wieder nicht das richtige russische Wort», stichelte Svetlana, zwang sich aber zu einem Lächeln. «Sie wissen nicht, wie viel Unglück diese Frau über uns gebracht hat. Eindrucksvoll, dass ich nicht lache. Bäuerlich primitiv würde ich es nennen. Hätte ich sie nicht jeden Tag daran erinnert, dann hätte sie sich überhaupt nicht gewaschen. Wie sie manchmal stank, mein Gott, ich sage Ihnen, wie ein Pferd! Ihr Schweiß roch nicht nach Mensch, sondern nach Tier, nach einem wilden Tier! Barfuß lief sie durch die Wohnung, mit ihren ungewaschenen großen Füßen. Sie war nicht groß, aber Füße hatte sie wie ein Bauernlümmel von Tolstoj. Oder wie Tolstoj selbst, der soll auch solche Maulwurfspranken gehabt haben. Eigentlich sollte sie mich entlasten, stattdessen musste ich sie auch noch erziehen! Sie war ein ganz schlechtes Vorbild für Arkadij.»
    «Aber offensichtlich hat er sie gemocht.»
    «Ich will nichts mehr davon hören. Wieso habe ich Ihnen bloß die Fotos gezeigt?»
    Sie sammelte hektisch die letzten Bilder ein.
    «Dann ist das Olha, habe ich recht? Das Mädchen, von dem er gesprochen hat.»
    Sie kippte den Rest Cognac mit einem Schluck hinunter. «Wahrscheinlich lebt sie gar nicht mehr.»
    «Warum hat sie Unglück über Ihre Familie gebracht?»
    Svetlana hatte keine Lust mehr. «Ich glaube, Sie müssen langsam gehen, oder? Ist schon spät.»
    Ein Foto von Olha und Arkadij hatte Konrad noch schnell in seine Jackentasche gleiten lassen.
     
    Am nächsten Tag fuhr Konrad mit dem Bild in die Klinik. Er hängte sein nasses Sakko über die Stuhllehne, auf dem Weg hatte ein Sturzregen ihn überrascht. Jetzt platschten nur noch ein paar Tropfen von der Dachrinne. Das Laub der Fliederbüsche zitterte im goldenen Licht, Wasserperlen glänzten darauf. Sogar die grau verputzte Hauswand gegenüber leuchtete fast farbig.
    Er lehnte das Foto an die Wand hinter dem Schreibtisch. Arkadijs kindlich großer Kopf mit dem hellhäutigen Gesicht. Seine braunen Augen schauen zu dem Mädchen auf, das ihn an der Hand hält. Warum hatte Svetlana versucht, ihm Olha zu verheimlichen? So viel er von ihr gehört hatte, er wusste bisher nichts sicher. Das Foto gab ihm das Gefühl, nicht völlig im Nebel zu stochern. Als könnte er sie jetzt, da er ihr Gesicht kannte, leichter in den Protokollen identifizieren, ließ er den Blick über die Seiten schweifen und suchte nach ihrem Namen. Es waren Aufzeichnungen von Juni 1987 .
     
    «Erinnern Sie sich an Ihre leibliche Mutter?», fragt Professor Guzman.
    «Wen meinen Sie?»
    «Ich meine die Mutter, die Sie geboren hat.»
    «Ich weiß nicht. Manchmal habe ich Erinnerungen, die aus der Zeit stammen könnten. Ein lauer Sommerwind, ungetrübtes Wohlgefühl. Aber von ihr selbst weiß ich nichts. Immer wenn ich an sie denken will, sehe ich Olha vor mir. Kann es sein, dass Olha meine Mutter war?»
    «Nein, unmöglich. Ihre Mutter

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