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Der wahre Sohn

Der wahre Sohn

Titel: Der wahre Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kühl
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auf das er keinen Wert gelegt hat. Jetzt ist es weg, und er auch.»
    Konrad hatte den heißen Tee getrunken, der Rum brachte ihn in die Laune, ihr ein wenig Angst einzujagen.
    «Ich meine, in dem Zimmer könnte alles Mögliche entstanden sein. Wenn Sie so lange nicht drin waren. Ein riesiger Pilz. Oder ein Käfer, der auf dem Rücken liegt.»
    «Hören Sie auf.»
    Sie spielte das erschrockene Mädchen.
    «Geben Sie mir den Schlüssel, ich sehe nach», sagte Konrad. Svetlana weigerte sich.
    Konrad ging ins Wohnzimmer und hob den Teppichrand an. Sie lief ihm nach und sah erschrocken zu.
    «Da ist er nicht!»
    «Sie sind ja fast wie meine Mutter», lachte Konrad. «Wissen Sie, woran mich das erinnert? Als ich klein war, hat sich meine Mutter einmal geweigert, eine Flasche mit Küchenreiniger zu öffnen, den sie neu gekauft hatte. In der Fernsehreklame hatte sie gesehen, wie der Flasche ein Wirbelwind entwich, ein verrückter Geist, sobald man den Verschluss aufdrehte. Meister Proper hieß der, ein Wirbelwind im Dienste der amerikanischen Putzmittelindustrie. Ein glatzköpfiger Mann mit einem ganz dummen, aber lustigen Gesicht. Vor dem hatte sie Angst.»
    «So etwas gab es in der Sowjetunion nicht. Aber heute ist die Reklame bei uns genauso verrückt.»
    Das war noch in Westdeutschland gewesen. Sein Vater hatte sich das eine Weile amüsiert mit angesehen. Dann hatte er sich, wie immer, furchtbar aufgeregt und die Mutter am Ende gezwungen, die Flasche aufzudrehen. Er begnügte sich nicht damit, das einfach selbst zu übernehmen. Er trat von hinten an die Mutter heran, legte ihr einen Arm um den Bauch und hielt sie fest, dann zwang er sie, vor seinen Augen den Verschluss aufzudrehen, um ihr zu zeigen, wie unsinnig ihre Angst war. Sie, hilflos, steigerte sich in ihre Hysterie hinein, aber am Ende blieb ihr keine Wahl. Ein feiner Geruch von Spülmittel, witzlos und profan, nicht mal Schaum, entwich der Flasche und machte ihre Scham und Niederlage erst richtig ruchbar. Da brach sie in Tränen aus.
    «Also haben Sie doch Erinnerungen an sie», sagte Svetlana. Er sah sie noch vor sich, zur Wohnungstür rennen. An dem Tag kam sie nicht mehr zurück. Am nächsten Morgen, als er sich seine Schulbrote schmierte, sagte der Vater: ‹Deine Mutter ist eine Hure.› Er wusste damals nicht genau, was das war, traute sich aber nicht zu fragen.
    «Machen Sie das Zimmer jetzt auf, für mich?»
    «Nein. Sie haben selbst gesagt, da könnte ein Pilz drin sein. Ich werde die Leute von der Schädlingsbekämpfung anrufen. Die kommen mit großen Spritzpistolen und desinfizieren alles.»
    Das war eine Mischung aus Koketterie und Angst.
    «Es sei denn, Sie wollen hier einziehen. Dann müsste ich Ihnen das Zimmer aufschließen. Ihr Hotel ist ja sehr teuer. Ich hab mir neulich in der Halle mal die Preise angesehen.»
    «Sie waren in meinem Hotel?»
    «Ich wollte wissen, ob Sie mich nicht anlügen», lachte sie. «Und wie Sie da so wohnen.»
    «Waren Sie allein dort?»
    «Natürlich!»
    «Sie wollen mich wohl als neuen Sohn adoptieren?», fragte er.
    «Bestimmt nicht. Arkadij reicht mir.»
     
    Möglicherweise ist er in der Klinik sicherer als zu Hause, überlegte Konrad, als er am späten Nachmittag zu Arkadij fuhr.
    Svetlanas Ungeziefer lag hellwach und munter auf dem Bett und schien bereits auf ihn gewartet zu haben.
    «Mir ist etwas eingefallen», sagte Arkadij, kaum hatte Konrad sich gesetzt. «Wieso fragen Sie nicht einfach meinen Vater nach dem Auto? Er selbst wird doch am besten wissen, ob er einen Mercedes hat.»
    «Ihren Adoptivvater, meinen Sie?»
    «Jurij, ja.»
    «Aber er ist doch …», fing Konrad an und besann sich.
    «Ich weiß. Er ist sehr krank. Ich kann gar nicht sagen, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Ich glaube, vor einem halben Jahr. Svetlana hat mich damals abgeholt und ist mit mir ins Krankenhaus gefahren. Das war so ein großes, mit einem Park.»
    «Ich kann …»
    «Svetlana wird Ihnen das ausreden wollen. Sie wird versuchen, die Begegnung zu verhindern. Sie kann auch Ihre Gedanken verändern. Aber Sie schaffen das. Und ich hätte eine Bitte: Fragen Sie ihn, ob alles in Ordnung ist und ob ich hier bald wieder rauskann.»
    «Das wird Ihr Vater wohl nicht allein entscheiden», sagte Konrad.
    «Er weiß dann schon, was ich meine. Richten Sie ihm das einfach aus.»
    «Wo ist denn die Toilette?», fragte Konrad und erinnerte sich, diese Frage kürzlich erst gestellt zu haben.
    «Auf dem Flur rechts, dritte Tür»,

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