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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Unteroffizier aber mit einem missbilligenden Blick. Der Unteroffizier nahm eine Granate, legte sie in die Ladevorrichtung und beugte sich wieder zum Sehschlitz.
    Es erfolgte eine leise Explosion. Dmitrij sah, wie sich die Hand des Unteroffiziers auf einen Hebel legte und zu zittern begann.
    Der Oberst ging zum zweiten Sehschlitz.
    „Na, was ist mit ihm …“, murmelte der Kommandant nervös. „Wie tief kann man denn schlafen?!“
    Anscheinend kam tatsächlich niemand heraus, und die Anspannung im Panzer wuchs.
    Der Unteroffizier nahm die Hand vom Hebel. Der Oberst spuckte auf den Eisenboden und beugte sich wieder zum Sehschlitz.
    Dmitrij war ebenfalls angespannt und dachte daran, dass man Bären nicht einfach so töten durfte. Schließlich waren das heilige Tiere, und bevor man sie tötete, musste man sie um Verzeihung bitten und ihnen etwas Schmackhaftes in die Höhle werfen. Sie so zu jagen, wie es die russischen Soldaten taten, gehörte sich nicht.
    Plötzlich brüllte der Oberst mit unerträglich lauter Stimme:
    „Looos!!!“
    Der Unteroffizier fasste mit seiner Hand blindlings nach dem Hebel, griff aber daneben, löste für einen Moment seinen Blick vom Sehschlitz, fand den Abzugshebel und drückte ihn hinunter.
    Dmitrij kam es so vor, als ob der Panzer einen Sprung gemacht hätte. Es gellte in seinen Ohren und seine Augen waren für einen Augenblick getrübt.
    „Du Esel!!“, schrie der Oberst inmitten des Getöses. „Lade die zweite!“
    Wieder stürzte der Unteroffizier zur Munitionskiste.
    „Na, bist du etwa wie Iwan Susanin?!“, schrie ihm der Kommandant zu. „Wenn du ihn verletzt hast, dann gib ihm jetzt den Todesstoß! Oder willst du, dass er deinen Genossen in Stücke reißt?!“
    Wieder donnerte ein Schuss und im Kopf des Urku-Jemzen gellte es noch lauter.
    „Das war’s, gut gemacht“, sagte Oberst Iwaschtschukin, der sich etwas beruhigt hatte. „Mit dem zweiten Schuss endlich erwischt. Meine Anerkennung!“
    „Ich diene nur der Sowjetunion!“, murmelte der Unteroffizier müde.
    Sie fuhren noch ein Stückchen und hielten dann den Panzer neben dem Braunbären an, der ausgestreckt im Schnee lag. Die Soldaten und der Urku-Jemze kletterten aus dem Gefährt und umkreisten die Beute.
    „Sehr schön!“, sagte der Oberst zufrieden. „Unser Koch wird ihn so zubereiten, dass wir uns alle zehn Finger abschlecken werden! Los, Soldaten, aufladen!“
    Mit einer Vorrichtung, die einer Seilwinde glich und die zwischen den Behältern angebracht war, zogen die Soldaten den schweren Körper auf den hinteren Teil des Panzers hinauf.
    Dmitrij stand währenddessen etwas abseits und murmelte fast unhörbar, aber nicht im Flüsterton, sondern im Singsang mit einer Art inneren Stimme:
    „Satar inenmen umundu biget
    Sururukis bakaldyrit echin sawra
    Toktokol-Boigolkol Gunitten iwit er aja achi
    Antage ureldun anam tokin.“
    Die Soldaten befestigten den Bären mit Draht auf dem Gitter zwischen den Kraftstoffbehältern an der Hinterseite des Panzers.
    „He, Genosse Waplachow!“, rief der Oberst Dmitrij zu. „Es ist Zeit, in die Einheit zurückzukehren, wir haben den Norden schließlich ohne Verteidigung zurückgelassen – das Flugzeug ist weggeflogen, der Panzer ausgefahren, die Heimat wird nur vom geizigen Fähnrich Nogtew mit einer einzigen Granate bewacht!“ Und der Oberst lachte schallend.
    Auch die Soldaten waren guter Laune, sie lachten und scherzten leise untereinander. Und sogar die Miene des dünnen Leutnants hatte sich erhellt und sein Blick war aufgetaut, obgleich er immer noch seine zusammengerollte Karte in der Hand hielt.
    Sie stiegen in die Kampfmaschine und machten sich auf den Rückweg.
    Dmitrij schob die leere Munitionskiste in die hintere Ecke des Panzers und setzte sich darauf. Er schloss die Augen und wurde traurig, als er an seine Kindheit im Kreise seiner Angehörigen zurückdachte. Er erinnerte sich an die Bärenfeste, die sie jeden Frühling in den urku-jemzischen Siedlungen gefeiert hatten. Ging man mit einem Bären etwa so um?! Nein, man wusste, dass ein Bär einen solchen Mord nicht verzieh und sein Geist sich bestimmt rächen würde. Was aber musste man tun?! Man musste alles ganz anders machen. Doch woher sollten die Russen das wissen? Man musste einer Bärin einen kleinen Bären stehlen. Diesen übergab man zunächst der besten jungen Frau im Dorf, damit sie ihn anstelle der Bärin an ihrer Brust nährte. Dann musste man einen Käfig aus Holz für ihn bauen, ihn dort

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