Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
hineinsetzen und füttern, ohne ihn jemals aus dem Käfig zu lassen. Nach zwei Jahren holte man ihn dann heraus, setzte ihn auf die Erde, legte ihm eine Schlinge um Brust und Bauch und zog diese stramm. Sodann musste man den Großvater des Tieres zu dem der Länge nach gespaltenen Stamm einer beidseitig niedergebeugten Lärche führen und ihn unterwegs laut beweinen. An diesem Ort angekommen, steckte man seinen Kopf in den großen Spalt des Stammes und hierauf mussten die Leute, die den Baum festhielten, die Hälfte des Stammes herablassen, und so würde der Bär ersticken und schnell sterben. Sodann musste der Älteste nach vorn treten und sich bei dem großen Tier entschuldigen, dann legte man den Bären neben die Lärche auf die Erde und solange er warm war, mussten die ehrenvollsten Bewohner des Dorfes sich auf ihn legen und ihn abermals beweinen. Erst dann durften die Menschen seinen fetten Körper in Stücke zerteilen, und den Kopf des Großvaters des Tieres würden sie auf den höchsten Baum emporheben und dort zwischen zwei starken Ästen bestatten.
    Schade, dass der Russe Dobrynin weggeflogen ist, dachte Dmitrij abschließend. Er ist klug, er hätte ihnen erklärt, wie man es machen muss, und auf ihn hätten sie gehört …
    Dröhnend fuhr der große grüne Panzer durch den Wald des Nordens, presste dabei unbarmherzig den unberührten Schnee nieder, erschreckte die wenigen Tiere und Vögel und streifte den schneeweißen Raureif von den Zweigen der hohen Lärchen.

Kapitel 26
    Die Zeit verging. Auf dem Feld neben dem Hügel wuchs der Weizen und – die Lehrerin Katja hatte also doch recht gehabt! – auf dem früheren Friedhof war er doppelt so hoch und dicht wie an anderen Stellen, doch auch dort unterschied er sich deutlich von jenem Weizen, den die ehemaligen Kolchosbauern von früheren Ernten her kannten. An den Abenden, die jetzt, da der Herbst seinen goldenen Höhepunkt erreicht hatte, zeitiger hereinbrachen, versammelten sich die fleißigen Werktätigen beim Fluss, wo eine große Banja **** aus dicken Stämmen errichtet worden war. Die Bauarbeiter, die Rotarmisten und natürlich auch die Bauern kamen dort zusammen, um nach Herzenslust im Dampfbad zu schwitzen, von Zeit zu Zeit allein oder auch zu mehreren hinauszulaufen und in den Fluss zu springen, der etwas seichter geworden war, in dem man aber, wenn man wollte, an einigen Stellen auch bis zum Kopf in das blaugrüne Wasser eintauchen konnte. Den Bewohnern des Neuen Gelobten Landes verhalf sowohl ihre Arbeit als auch der Zufall zu Reichtum. Es entstand eine merkwürdige, freundschaftliche Verbindung zwischen den Rotarmisten und den Kolchosbauern einer nicht weit entfernt gelegenen, großen Siedlung. Die Kolchosbauern kamen nachts mit ihren Fuhrwerken und betrieben einen regen Tauschhandel mit den Rotarmisten. Was dort nicht alles getauscht wurde! An anderen Tagen verschwand plötzlich der gesamte ehemalige Trupp Rotarmisten hinter dem Feld und brachte von dort eine große Zahl an Säcken gefüllt mit herrlichen Sachen mit.
    Der Engel wunderte sich sehr darüber. Dann aber erklärte ihm der bucklige Buchhalter eines Tages, dass an jener Stelle, wo die Rotarmisten die Eisenbahnschiene für die Versammlungen abgeschraubt hatten, ein langer Güterzug umgestürzt war, die Menschen jedoch, die damit gefahren waren, aus irgendeinem Grund die Flucht ergriffen hatten. Von dort brachten nun die Rotarmisten Verschiedenes in das Neue Gelobte Land, unter anderem auch zehn Säcke Salz.
    Die Kolchosbauern, die des Nachts kamen, freundeten sich auch mit dem Ofensetzer und Räuchermeister Sachar an und brachten oft verschiedene Sorten von Fleisch, damit er es für sie räucherte. Sachars riesige Räucheröfen standen am Ufer des Flusses gleich hinter der Banja, und fast immer stieg eine köstlich riechende, nach Salz duftende Rauchwolke aus seinem Rauchfang auf, die sich in der frischen Luft ausbreitete.
    Im Neuen Gelobten Land war nun auch die Schule in Betrieb, und dort gab es eine richtige Schultafel und Kreide, die die Rotarmisten auf Wunsch aus einer Dorfschule der nahe gelegenen Kolchose gestohlen hatten. In diese Schule kamen abends, wie im „Unterrichtsplan“ vereinbart, fünf Rotarmisten, fünf Bauarbeiter, fünf Bauern und acht Kinder unterschiedlichen Alters, das jüngste war dreieinhalb. Sie schrieben verschiedene Gedanken auf die Tafel, unter denen am häufigsten der Satz „Wir sind keine Sklaven, Sklaven sind wir keine“ anzutreffen war.
    In naher

Weitere Kostenlose Bücher