Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
konnte. Da sich der Zug in dieselbe Richtung wie das Flugzeug bewegte, wenn auch langsamer, flog dieses eine Zeitlang genau über den Tankwaggons, was Dobrynin sehr interessant fand. Er schaute hinunter und freute sich in Gedanken über die sichtbare und zum Greifen nahe Industrialisierung des Vaterlandes. Als Dobrynin genug gesehen hatte, nahm er aus seinem Sack das vertraute Büchlein, das er im Kreml geschenkt bekommen hatte, schlug es am Anfang der dritten Erzählung auf, rieb sich zur besseren Konzentration die Hände und begann zu lesen.
    Und plötzlich, ausgerechnet an der interessantesten Stelle, wurde das Flugzeug so heftig durchgeschüttelt, dass Dobrynin vom Sitz geschleudert wurde und er sich auf dem eisernen Fußboden wiederfand. Er bekam eine solche Angst, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte. Der Volkskontrolleur sah nach vorn, wo der Pilot saß, und erblickte hinter der hohen Lehne des Pilotensitzes dessen Kopf beziehungsweise seinen Helm. Als keine weiteren Stöße mehr folgten, richtete sich der Volkskontrolleur auf, tastete nach seinem Sitz und kletterte vorsichtig, als ob dieser vermint wäre, hinauf und drückte sich gleich wieder ans Fenster.
    Unten erstreckte sich immer noch die Erde in ihrer Farbenpracht und es gab nichts Ungewöhnliches zu sehen, außer einem auf den Eisenbahnschienen quer zur Flugrichtung fahrenden Zug mit Tankwaggons, der von einer Doppellokomotive gezogen wurde und so lang war wie ein roter Regenwurm.
    Dieser Zug, der das Grün und Braun der Erde als rote Linie durchschnitt, lenkte Dobrynins Aufmerksamkeit weg von dem merkwürdigen und unangenehmen Vorfall, und Dobrynin beobachtete wohlwollend diese auf der Erde fahrende Errungenschaft des menschlichen Verstandes, wobei er wegen der Bewegung des Flugzeugs seinen Kopf langsam drehen musste.
    Da wurden sie wieder durchgeschüttelt, diesmal aber schwächer, und Pawel Aleksandrowitsch konnte sich auf seinem Sitz halten, indem er sich mit den Händen festkrallte. Das Flugzeug schwankte, so als ob der Pilot beschlossen hätte, dem Lokomotivführer mit den Flügeln ein Zeichen zu geben.
    Nachdem Dobrynin sich von seinem Schrecken erholt hatte, wartete er ab, bis der rote Zug in der unbekannten Ferne verschwunden war. Dann trat er zum Piloten und fragte gerade heraus:
    „Stimmt etwas mit dem Motor nicht?“
    Der Pilot war mit dem Steuer beschäftigt und hörte seine Frage nicht gleich, da sein Helm darüber hinaus nicht allzu viele Geräusche durchließ. Als er aber Dobrynins Anwesenheit mit einem Seitenblick bemerkt hatte, nahm er den Helm vom Kopf und antwortete auf die von Dobrynin wiederholte Frage:
    „Aber nein, alles in Ordnung, Genosse Dobrynin. Wir sind nur in einen Streifen von Meteoritenschauern geraten. Wir haben uns aber durchgeschwindelt. Man kann sagen, wir haben Glück gehabt!“
    „Und was ist das für ein Schauer?“, wollte Pawel Aleksandrowitsch wissen.
    „Er kommt aus dem Weltall“, antwortete der Pilot nachdenklich. „Die Wissenschaftler schreiben, dass es sich dabei um Stein- und Eisenstücke handelt, die irgendwann von Sternen und Planeten abgesplittert sind.“
    „Leuchten diese Splitter? Wenn sie doch von den Sternen kommen?“
    „Aber nein“, sagte der Pilot entschieden. „Sie sind bereits erloschen. Das ist das Gleiche wie ein Mensch, der sich von der Masse abgesondert hat. In der Masse strahlt er gemeinsam mit den anderen, errichtet etwas und baut es auf, aber ganz allein schafft er gar nichts und aus diesem Grund erlischt er. Ich liebe Gedichte, da findet man viel darüber.“
    „Und was findet man dort darüber?“, wurde Dobrynin neugierig und begriff, dass er von Anfang an neben dem Piloten hätte sitzen sollen, um sich die Zeit gewinnbringend zu vertreiben, da dieser doch so klug war.
    „Wehe dem Einzelnen“, zitierte der Pilot und seine Stimme klang vor dem sinnlosen Gesang des Propellers und des Metalls überzeugend und eindringlich. „Allein ist man ein Nichts; allein – und wär man von Bärenstärke – hebt man keinen Balken mittlern Gewichts. Na bitte!“
    „Ja …“, stammelte Dobrynin.
    Zum ersten Mal hatte ihn das Schicksal mit echten Soldaten zusammengeführt, und wie viele Gefühle und Gedanken sie in ihm hervorriefen! Einfach, ehrlich, mit Liebe und Achtung für Ordnung, immer gerüstet, jenen Teil des Vaterlandes zu verteidigen, der ihnen anvertraut war, hilfsbereit und außerdem gebildet und belesen! Dobrynins Gefühle überschlugen sich förmlich, es brodelte

Weitere Kostenlose Bücher