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Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman

Titel: Der wahrhaftige Volkskontrolleur - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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gehen!“, sagte er nach einer halben Minute.
    „Na eben!“, billigte einer der Männer seine Worte. „Wir arbeiten schließlich jetzt und schlafen dann am Morgen! Na dann, gute Nacht!“
    „Nacht!“, antwortete ihnen Banow, und nachdem er sich orientiert hatte, ging er zu seiner Wohnung, die sich ganz in der Nähe befand.
    Tatsächlich – die Hauptstadt schlief tief und fest: kein einziges Licht in einem Fenster, kein einziger Passant, kein einziges Auto auf dem Pflaster der Straßen.
    * * *
    Einige Tage vergingen ruhig. Auch der freie Sonntag verstrich unbemerkt. Am Montag bat Wasilij Wasiljewitsch Banow Vizedirektor Kuschnerenko, den Schüler der Klasse 7B , Robert Rojd, neuerlich in sein Büro zu rufen.
    Sie begegneten einander bereits wie Bekannte und der Schuldirektor konnte bei dem rothaarigen Jungen keinerlei Verlegenheit mehr feststellen. Er trat leise ein und nahm auf dem ihm angebotenen Stuhl Platz, mit dem Gesicht zum Direktor und zu Dserschinskij, dessen Bild an der Wand hing.
    „Wie geht’s?“, fragte Banow den Schüler munter. „Wie steht’s zu Hause?“
    „Gut“, antwortete Robert.
    Durch die Einsilbigkeit des Jungen nicht zufriedengestellt, beschloss der Direktor, direkt nachzufragen:
    „Und wie geht’s deiner Mama?“
    „Auch gut“, antwortete der Schüler träge.
    „Und … träumt sie denn jetzt?“, Banow sprach nun in vollkommener Offenheit von dem, was ihn am meisten interessierte.
    „Ich glaube nicht …“ Der Schüler sah zur Decke, so als ob er versuchen würde, sich an etwas zu erinnern.
    Die Antwort erfreute den Schuldirektor nicht. Sie bekümmerte und beunruhigte ihn vielmehr.
    „Dann träumt sie also überhaupt nicht?!“ Der Schuldirektor wollte es trotz allem noch einmal genau wissen.
    Nun schüttelte der Junge bereits überzeugt den Kopf.
    „Und sag, Robert, ein Telefon habt ihr wohl daheim, oder?“, fragte Banow mit finsterer Miene.
    „Jaaa …“
    „Dann gib mir doch die Nummer!“
    „Drei null sechs vierundsiebzig …“
    Der Schuldirektor notierte die Ziffern auf dem zusammenklappbaren Tischkalender. Danach sagte er mit einem Blick auf den Jungen:
    „Gut, du kannst gehen!“
    Wieder allein mit dem Dserschinskij-Bild und mit seinen eigenen Gedanken begann Banow, die Arbeitszeit vorübergehen zu lassen. Die Zeit verging langsam.
    Dann klopfte es an der Tür. Der Mathematiklehrer Subrowkin kam herein, mit Verbesserungsvorschlägen für den Unterricht in seinem Gegenstand. Die Vorschläge waren in gedrängter Schrift auf zehn linierte Zeichenblätter geschrieben. Banow versprach, es sich anzusehen.
    Weitere Zeit verging damit, Wasser zu kochen und Tee zuzubereiten. Und auf diese Weise schwand der Arbeitstag unter Kleinigkeiten dahin, in länger oder kürzer dauernden Zeitabschnitten, und rieselte wie Sand durch eine Sanduhr, und erst da fasste Wasilij Wasiljewitsch ein wenig Mut, so als würde er mit feinen Nerven erspüren, wie sich die Schule leerte, wie Schüler und Lehrer sie verließen, und auch die Angestellten der Schulkantine, die Krankenschwester Valentina und alle anderen, die der bedeutenden Sache „Bildung“ dienten. Und schließlich blieb abends nur ein einziger Mensch in der Schule, und dieser Mensch war der Direktor, der Hausherr der Schule, Genosse Banow.
    Nachdem er hinuntergegangen war und überprüft hatte, ob alle weg waren, und der Putzfrau Petrowna dabei nicht einmal erlaubte, den Boden im Leninsaal fertig aufzuwischen, schloss er die Schule von innen ab, kehrte zurück in sein Büro und wählte die Telefonnummer der Rojds. Lange nahm dort niemand den Hörer ab. Dann brüllte eine unangenehme, hohe männliche Stimme, die offensichtlich dem Nachbarn Schkarnizkij gehörte:
    „Was? Hallo? Wer ist da?“
    „Rufen Sie Ihre Nachbarin!“, sagte Banow fordernd und scharf in den Hörer, und er empfand noch größere Abneigung gegen dieses schmierige Subjekt, das mit einer solch ungewöhnlichen Frau in einer Kommunalwohnung lebte.
    Offenbar wurde der Hörer am anderen Ende grob auf irgendeine hölzerne Fläche fallengelassen – in Banows Ohr ertönte ein derartiges Poltern, dass er den Hörer weiter weg hielt. Aber da fragte schon eine andere, eine etwas erkältete, aber angenehme und bekannte weibliche Stimme:
    „Hallo? Hallo? Sprechen Sie!“
    „Guten Tag!“, hauchte Banow in den Hörer.
    „Wer ist da? Mit wem spreche ich?“ Seine Gesprächspartnerin erkannte ihn nicht.
    „Hier ist der Schuldirektor … Genosse Banow

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