Der Wald der Könige
Aristokrat hatte Nick aufmerksam zugehört und ihn dabei beobachtet. Dabei hatte er sich, ohne dass Nick es bemerkte, ein genaues Bild von ihm gemacht. »Ich sehe, dass ich Euch vertrauen kann, Nicholas Pride«, meinte er schließlich. »Und wenn die Königin selbst mich fragt – und das könnte sie durchaus tun –, wer unser Signalfeuer im Inland bewacht, werde ich mich an Euren Namen erinnern und ihr sagen, dass Ihr ein zuverlässiger Mann seid.«
»Ja, Sir, das könnt Ihr!«, rief Pride, und er war so stolz auf sich wie nie zuvor.
Jane saß am sandigen Ufer und blickte auf den Solent hinaus, als sich das seltsame Paar näherte.
Es war warm. Über dem Wasser hing ein leichter Dunst, sodass die Insel Wight in einen trägen blauen Schimmer gehüllt war. Strandläufer und andere Schreitvögel wimmelten vor ihr über den Sand und um die Festung herum. Schwalben, die bald Abschied nehmen würden, schossen durch den Himmel.
Der Mann und die Frau zogen einen großen Wagen mit hohen Seitenwänden, offenbar enthielt er Holzkohle.
Jane hatte unterhalb der Festung am Ufer des Solent eine kleine Kalkbrennerei bemerkt. Kurz vor Hurst Castle bog der Wagen von der Straße ab und wurde in Richtung Brennerei gezogen. Unterstützt von drei Arbeitern der Brennerei lud der Mann die Säcke ab. Jane beobachtete ihn aufmerksam.
Er war ein wenig kleiner als die anderen, wirkte aber sehr kräftig. Sein Haar war dicht und schwarz, und er hatte einen kurzen, ordentlich gestutzten Bart. Seine weit auseinander stehenden Augen blickten aufmerksam – die Augen eines Jägers, dachte sie. Sie war sicher, dass er sie wahrgenommen hatte, während er die Kohlensäcke ablud. Warum nur erschien er ihr so sonderbar? Sie war nicht sicher. Ihr ganzes Leben hatte sie im New Forest verbracht. Dieser Mann unterschied sich von den Prides und den Furzeys, als gehöre er einer anderen, viel älteren Art an, die in den unbekannten Tiefen des Waldes wohnte. Bildete sie es sich nur ein, oder hatte der Qualm der Kohlenmeiler seine Haut dunkel verfärbt? Er erinnerte sie an eine Eiche.
Aus welcher Familie er stammte, war nicht schwer zu erraten. Jane war auf Wochenmärkten oder bei Gericht in Lyndhurst schon anderen Männern begegnet, die ihm ähnlich sahen.
»Das ist Perkin Puckle«, meinte ihr Vater dann. Oder: »Ich glaube, das ist Dan Puckle, aber es könnte auch John sein.« Und dann ging es meist weiter: »Die Puckles leben in der Nähe von Burley.« Niemand hatte Grund, schlecht über sie zu reden. »Sie sind gute Freunde, solange man es sich nicht mit ihnen verscherzt«, fuhr ihr Vater fort. Obwohl niemand es laut aussprach, wusste Jane, dass die Familie etwas Geheimnisvolles an sich hatte. »Sie sind so alt wie die Bäume«, hatte ihre Mutter einmal angemerkt. Jane betrachtete den Mann neugierig.
Zuerst nahm sie gar nicht wahr, dass sie selbst beobachtet wurde. Es war ihr nicht aufgefallen, dass die Frau den Wagen verlassen hatte, doch nun saß sie ganz in der Nähe auf einem Grasbüschel und musterte Jane nachdenklich. Da diese nicht unfreundlich sein wollte, nickte sie der Fremden zu. Daraufhin rutschte die Frau unvermittelt zu Jane hinüber und saß nun dicht neben ihr. Eine Weile sahen sie den Männern bei der Arbeit zu.
»Das ist mein Mann«, sagte die Frau schließlich zu Jane.
Sie war klein und dunkelhaarig und erinnerte Jane an eine Katze. Jane schätzte sie – wie ihren Mann – auf etwa fünfunddreißig Jahre. Ihre Augen waren dunkel und mandelförmig, ihre Haut wirkte blass.
»Gehört er zu den Puckles aus Burley?«, fragte Jane.
»Richtig.« Jane hatte den Eindruck, dass die Frau sie prüfend betrachtete. »Seid Ihr verheiratet?«
»Noch nicht.«
»Und wollt Ihr heiraten?«
»Ja.«
»Ist Euer Verlobter hier?«
»Da drin.« Jane wies auf die Festung.
Puckles dunkelhaarige Frau schwieg eine Weile und blickte über das Wasser. Als sie wieder zu sprechen begann, schaute sie zu ihrem Gatten hinüber. »John Puckle ist ein guter Mann«, meinte sie.
»Ganz sicher.«
»Und sehr fleißig.«
»Das merkt man ihm an.«
»Und kein Kind von Traurigkeit. Er kann eine Frau glücklich machen.«
»Oh.« Jane wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
»Und Euer Verlobter. Ist er gut im Bett?«, erkundigte sich die Fremde unverblümt.
Jane errötete. »Daran zweifle ich nicht. Aber noch sind wir nicht verheiratet.«
Der Blick der Frau sagte ihr, dass sie mit ihrer Antwort nicht zufrieden war. »John hat sich selbst ein
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