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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dass sein Freund es noch weit bringen würde.
    »Wollen wir es hoffen, Clement.« Sie lächelte wieder, diesmal jedoch wehmütig. »Ich fürchte, in diesem Jahr bekomme ich keine neuen Kleider.«
    »Vielleicht wird die Königin…«
    »Ich war bereits bei Hofe.« Sie zuckte die Schultern. »Die Königin hat keinen Penny mehr. Diese Sache mit Spanien« – sie wies auf den Horizont – »hat die Staatskassen geleert.«
    Albion nickte nachdenklich.
    »Apropos Spanien.« Er zögerte kurz, beschloss aber fortzufahren. »Ich habe ein paar meiner Männer hergebracht, wie du sicher weißt. Thomas wollte sie sprechen.« Er musterte Helena durchdringend. Offenbar hatte er richtig vermutet: Sie schien ihm etwas zu verheimlichen. »Thomas hat darauf bestanden, dass ich nicht dabei sein soll. Aus welchem Grund, Helena?«
    Sie waren stehen geblieben.
    Helena senkte den Blick zu Boden. Eine Welle schwappte über den Strand auf sie zu und zog sich wieder zurück. »Thomas befolgt nur seine Befehle, Clement«, erwiderte sie ruhig. »Du siehst Gespenster.«
    »Glaubt man etwa, dass ich…?«
    »In diesem Land gibt es viele Katholiken, Clement. Das weiß jeder. Sogar die Carews…« Thomas Carew war der ehemalige Kommandant von Hurst Castle. Seine Familie, samt und sonders gläubige Katholiken, lebte im Dorfe Hordle, nur wenige Kilometer entfernt an der Grenze des New Forest.
    »Nicht alle Katholiken sind Verräter, Helena.«
    »Natürlich nicht. Aber du befehligst immer noch eine Miliz, Clement. Vergiss das nicht.«
    »Warum wollte sich dein Mann vergewissern, dass ich und meine Männer loyal sind?«
    »Weil der Rat ein Auge auf jeden hat, Clement. Man muss vorsichtig sein.«
    »Der Rat? Cecil? Sie misstrauen mir?«
    »Deiner Mutter, Clement. Denk daran, selbst Cecil hat von deiner Mutter gehört.«
    »Meine Mutter.« Plötzlich wurde er von Angst ergriffen. Er dachte an das gestrige Gespräch und spürte, wie er errötete. »Was« – er bemühte sich um einen gleichgültigen Tonfall – »hat meine närrische Mutter denn jetzt schon wieder angerichtet?«
    »Wer kann das sagen, Clement? Ich bin über diese Dinge nicht im Bilde, aber ich habe der Königin erklärt…«
    »Der Königin? Die Königin weiß über meine Mutter Bescheid? Oh, mein Gott!«
    »Ich habe ihr erläutert – vergib mir, Clement –, dass deine Mutter ein albernes Frauenzimmer ist. Und dass du ihre Ansichten nicht teilst.«
    »Gott behüte!«
    »Also, lieber Clement, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Kümmere dich stattdessen lieber um mein Haus. Finde einen Weg, wie ich in Longford etwas Größeres als einen Kuhstall bauen kann.«
    Erleichtert lachte er auf, und sie schickten sich an, zur Festung zurückzukehren. Inzwischen war die Flut ein wenig angestiegen. Auf der anderen Seite des Wassers schimmerten die vier Kalknadeln der Insel Wight, die Albion jetzt so unwirklich wie Gespenster erschienen. Geisterhaft weiße Möwen stiegen auf und flogen kreischend aufs Meer hinaus.
    »Clement.« Sie hielt inne und sah ihn an. »Du weißt, wie sehr wir dich lieben. Du bist doch wirklich kein Verräter?«
    »Ich…?«
    Sie musterte ihn forschend. »Clement? Sag mir die Wahrheit.«
    »Mein Gott, nein.«
    »Schwöre es.«
    »Ich schwöre, bei meiner Ehre. Auf alles, was mir heilig ist.« Ihre Blicke trafen sich, Besorgnis stand in Helenas Augen. »Glaubst du mir denn nicht?«
    »Natürlich glaube ich dir. Komm.« Sie lächelte und hakte sich bei ihm unter. »Gehen wir zurück.«
    Aber er wusste genau, dass sie log. Sie war sich nicht sicher. Und wenn sie und Thomas Gorges ihm nicht trauten, hegten der Rat und die Königin sicher auch Argwohn gegen ihn. Auf einmal erschien ihm die Aussicht auf die kommenden Monate trüber denn je.
    Und das Sonderbare war, dass er – ganz gleich, was seine Mutter auch von ihm verlangen mochte – Helena die Wahrheit gesagt hatte.
    Oder etwa nicht?
    Es wurde ein eiskalter Winter. Doch der Baum war daran gewöhnt. Vor einem Jahrhundert war England in eine Wetterphase eingetreten, die während der Regierungszeit der Tudors und der Stuarts andauerte und die man in der Geschichtsschreibung als kleine Eiszeit bezeichnete. Im Sommer fiel der Unterschied zu den alten Zeiten nicht so auf, doch im Winter herrschte häufig grimmige Kälte.
    Anfang Dezember hatte sich die Eiche auf den Winter vorbereitet. Ihre Äste waren kahl und grau; die kleinen, prallen Knospen an den Zweigen wurden durch braune, wachsige Hüllen vor dem Frost geschützt. Tief

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