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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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verwirrt.
    »Ah.« Er kam näher und nahm sie am Ellenbogen. Sie bemerkte die dichten Haare an seinem kräftigen Unterarm. »Die Kinder mögen Euch«, meinte er leise.
    »Oh. Woher wisst Ihr das?«
    »Ich weiß es eben.« Er lächelte. »Schön, dass Ihr gekommen seid«, sagte er freundlich.
    Sie nickte, denn ihr fehlten die richtigen Worte. Durch seine Berührung war eine Art von Vertrautheit entstanden. Sie spürte, wie seine Kraft zu ihr hinüberfloss; ihr wurden die Knie weich. »Ich muss nach Hause«, stammelte sie.
    Seine Hand lag immer noch auf ihrem Arm.
    »Kommt, setzt Euch.« Er wies auf eine Bank neben der Tür.
    Also saß sie mit ihm in der Sonne, plauderte und spielte mit den Kindern. Eine Stunde später machte sie sich auf den Heimweg.
    »Ihr müsst wiederkommen und die Kinder besuchen«, meinte er. Und sie versprach es ihm.
     
     
    Inzwischen ritt Albion sehr oft in den New Forest, einfach nur, um allein zu sein. Die letzten beiden Monate waren nicht leicht gewesen.
    Möglicherweise fassten die Worte seiner Frau es am besten zusammen: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die spanische Invasion für uns einen großen Unterschied bedeuten wird, Clement«, meinte sie Ende Mai. »Dieses Haus ist sowieso schon unter Besatzung.«
    Seine Mutter und ihre Besatzungsarmee schienen allgegenwärtig zu sein. Stets drängten sich mindestens drei ihrer Diener in der Küche. Schon nach zwei Wochen hatte ihr Bursche die junge Zofe seiner Frau verführt. Während der Mahlzeiten und der Familiengebete morgens, mittags und abends erfüllte die bedrückende Gegenwart seiner Mutter das Haus.
    Warum war sie hier? Albion hatte keinen Zweifel an ihren Gründen. Sie wollte sicherstellen, dass er seine Pflicht tat, wenn die Armada kam.
    Drei Wochen lang litt seine Frau nun schon Höllenqualen. Sie wusste sehr wohl, dass Lady Albion ein großes Vermögen zu vererben hatte, und sie war selbst eine gute Katholikin. Doch in erster Linie war sie Mutter und wünschte sich ein geruhsames Leben für ihre Familie. Albion hatte nicht gewagt, ihr von dem wahnwitzigen Angebot seiner Mutter an den König von Spanien zu erzählen. Und er flehte Lady Albion an, es ihr zu verschweigen, um sie nicht zu ängstigen. Also erfüllte seine Frau gehorsam ihre Familienpflichten, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt. »Diese Besatzung dauert mir inzwischen zu lang«, sagte sie ihm. »Ich bin nicht mehr Herrin in meinem eigenen Haus. Es ist mir gleich, ob deine Mutter zehn Vermögen zu vererben hat. Wir kommen auch ohne das Geld aus. Sie müssen weg.«
    Also hatte Albion ängstlich seiner Mutter die Lage geschildert. Doch zu seinem Erstaunen nahm sie es gelassen auf.
    »Natürlich, Clement. Sie hat ganz Recht. Dein Haus ist zu klein. Mein armer Diener muss sogar in der Scheune schlafen. Überlass alles nur mir.«
    Und zu seiner Überraschung war schon am nächsten Morgen ihr ganzer Hofstaat – die schwer beladenen Kutschen samt Dienstboten – aufbruchsbereit. Clement Albion und seine Familie standen da und sahen verdattert zu, wie der Befehl zum Abmarsch gegeben wurde. Nur eine Sache erschien ihm seltsam.
    »Solltest du jetzt nicht in deine Kutsche steigen, Mutter?«, fragte er. »Sie fährt gleich los.«
    »Ich?« Seine Mutter sah ihn entgeistert an. »Ich, Clement? Ich bleibe hier.« Sie winkte den beiden Kutschen zu, die sich in Bewegung setzten. »Keine Sorge, Clement.« Sie lächelte ihm strahlend zu. »Ich werde mäuschenstill sein.«
    Und von diesem Tage an war seine Mutter, nur ausgerüstet mit ein paar Kleidertruhen und ihrem Gebetbuch, in ihrer Kammer geblieben. »Wie eine gute Nonne«, pflegte sie zu sagen. Sie kam nur heraus, um im Wohnzimmer zu sitzen, den Kindern Gebete beizubringen, die Dienerschaft herumzuscheuchen und seiner Frau mitzuteilen, dass der Rinderbraten ein klein bisschen zu gar gewesen sei. »Seht ihr«, meinte sie jeden Tag beim Abendessen. »Ich lebe wie eine Einsiedlerin in eurem Hause. Ihr bemerkt kaum, dass ich hier bin.«
    Für seine Frau mochte die Anwesenheit seiner Mutter ein Ärgernis bedeuten, Albion selbst bereitete sie mit jedem Tag mehr Magendrücken. Und ihre Gespräche unter vier Augen ließen keinen Raum für Zweifel: Die Spanier würden siegen. »Ich habe deiner Schwester schon vor allem alles über die Milizen geschrieben«, verkündete sie. »Die Spanier werden ihnen mühelos den Garaus machen. Und unsere Schiffe sind alle schrottreif.« Die erste Aussage stimmte, die zweite nicht. Doch die

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