Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
und verschiedenen Möbelstücken. Die beiden Gefährte überquerten vor ihm den Fluss. Das Haus der Albions, ein Landsitz mit Holzgiebeln, stand in einer Lichtung etwa anderthalb Kilometer von der östlichen Seite der Furt entfernt. Entweder wollte die kleine Karawane dorthin oder hinauf zur Heide von Beaulieu, was unwahrscheinlich war, da es allmählich dunkel wurde.
    Albion wandte sich nach Süden und folgte ihnen. Aber die zweite Kutsche war so breit, dass er sie nicht überholen konnte. Und er erkannte überrascht, dass die erste in den Weg einbog, der zu seinem Haus führte, und vor der Tür zum Stehen kam. Die Dienstboten traten heraus, und der Bursche zog schon den Vorhang der Kutsche zurück, damit der Fahrgast aussteigen konnte, als Albion endlich hereinpreschte.
    Die Gestalt, die das Gefährt verließ, war ganz in Schwarz gekleidet. Nur das Futter ihres Gewandes war purpurrot. Ihr Gesicht war mit einer dicken, geisterhaft weißen Puderschicht bedeckt.
    »Mein Gott!«, rief Albion verdattert aus. »Mutter, was willst du denn hier?«
    Sie lächelte ihn strahlend an, doch ihre Augen funkelten so aufmerksam wie die eines Vogels, der einem Wurm nachspürt. »Ich habe Neuigkeiten, Clement«, sagte sie. Und als sie ihn kurz darauf in die unvermeidliche Umarmung schloss, näherten sich ihre roten Lippen seinem Ohr. »Ein Brief von deiner Schwester«, flüsterte sie verschwörerisch. »Die Spanier kommen. Und ich bin hier, damit wir sie gemeinsam begrüßen können, mein liebster Sohn.«
    Der Mai verstrich, und auch der Juni war schon zu einem Großteil vorüber. Aber die spanische Flotte – Armada genannt – war noch nicht erschienen. Das Wetter war für diese Jahreszeit ungewöhnlich. Ab und zu waren über dem New Forest ein blauer Himmel und die Sommersonne zu sehen, doch immer wieder ballten sich dunkle Wolken zusammen, und ein Sturm aus Südwesten brachte Regen oder Hagel. Einen solchen Sommer hatte es schon seit Jahren nicht mehr gegeben. Später im Juni hieß es, der Sturm habe die spanische Flotte gezwungen, sich auf verschiedene Häfen zu verteilen. »Drake wird sie sich vorknöpfen«, sagten die Leute. Aber obwohl Sir Francis Drake den Rat drängte, ihn endlich in See stechen zu lassen, zögerte die Königin. Denn sie war sicher, dass Englands beliebtester Freibeuter nach seinem erfolgreichen Angriff auf den Feind gewiss die Jagd auf Beute der Pflichterfüllung vorziehen würde. Schließlich liebte der große Entdecker und Patriot das Geld auch weiterhin mehr als alles andere.
     
     
    Als Jane die Mill Lawn entlangging, hatte sie ein ziemlich schlechtes Gewissen. War es wirklich nötig gewesen, bis zu diesem Besuch in Burley zwei Monate verstreichen zu lassen? Doch wegen des Wetters und der vielen Erledigungen hatte sie, wie sie sich sagte, beim besten Willen keine Zeit gehabt, Puckle seine Decke zurückzubringen. Wenn sie Glück hatte, war er vielleicht gar nicht da. Dann konnte sie die Decke hinterlegen und sich sofort auf den Heimweg machen.
    Heute war das Wetter schön. Der Ginster war bereits verblüht, doch auf dem kurzen Gras leuchteten Gänseblümchen, weißer Klee, Butterblumen und Habichtskraut. Die winzigen Veilchen reckten ihre lilafarbenen Köpfe aus dem Boden, und an den Ufern des Bächleins, das über die Wiese floss, ragten blaue Vergissmeinnicht zwischen den Kräutern hervor.
    Kurz vor der Mittagszeit erreichte Jane die strohgedeckte Hütte. Puckle war nicht da, dafür aber seine drei Kinder. Das älteste war ein etwa zehnjähriges Mädchen, das offenbar zu schnell gewachsen war, denn es war klapperdürr. Die Kleine hatte dunkles Haar und wirkte sehr ernst. Offenbar hatte man ihr die Aufsicht über die jüngeren Geschwister übertragen. Ein kleines, ebenfalls dunkelhaariges Mädchen spielte vor der Hütte im Gras.
    Doch es war der Jüngste, der Janes Aufmerksamkeit erregte. Er war ein pummeliger, fröhlicher Junge von drei Jahren. Offenbar hatte er mit einem Holzpferd gespielt, das sicher sein Vater für ihn geschnitzt hatte. Doch bei Janes Anblick lief er vergnügt auf sie zu. Ein breites Lächeln stand auf seinem runden Gesicht, und seine leuchtenden Augen blickten vertrauensvoll. Anscheinend war er sicher, dass sie sich mit ihm befassen würde. Er nahm Janes Hand und sagte: »Ich bin Tom. Spielst du mit mir?«
    »Sehr gerne«, erwiderte sie, aber zuerst erklärte sie dem älteren Mädchen die Sache mit der Decke.
    Das Kind war zunächst ein wenig argwöhnisch, doch nachdem es die

Weitere Kostenlose Bücher