Der Wald der Könige
Decke begutachtet hatte, nickte es. »Mein Vater hat gesagt, jemand würde sie bringen«, meinte sie. »Doch das ist schon lange her.« Da Puckle anscheinend nicht so bald zurückerwartet wurde, knüpfte Jane ein Gespräch mit dem Mädchen an, das, wie sie an seinem Betragen und seinen Worten bald erkannte, offenbar die Mutterrolle in der Familie übernommen hatte, obwohl es doch selbst noch eine Mutter gebraucht hätte.
Tom war ein reizender kleiner Knirps. Er holte einen Ball, gab ihn Jane und freute sich mächtig, als diese ihm seinen Wunsch erfüllte und ihm den Ball zuwarf. So ein hübscher kleiner Junge, überlegte sie. Wie gern hätte ich auch so einen. Doch da sie Puckle nicht begegnen wollte, beschloss sie zu gehen.
»Am besten lege ich das auf das Bett deines Vaters«, meinte sie und griff nach der Überdecke. Obwohl das Kind ihr versicherte, dass das nicht nötig sei, beharrte sie darauf und ging allein hinauf in das Zimmer, wo neben dem niedrigen Fenster das Eichenbett stand.
Da war es, dunkel, fast schwarz und schimmernd. Es war ein wirklich seltsames Möbel, genauso eigenartig, wie sie es in Erinnerung hatte. Die hölzernen Gesichter, wie Wasserspeier, starrten sie an, wie um sie als Freundin willkommen zu heißen. Unwillkürlich strich sie mit der Hand über einige der geschnitzten Figuren – das Eichhörnchen, die Schlange. Sie waren so vollendet geformt, dass sie zu leben schienen, und ihr war, als würden sie sich jeden Moment bewegen. Jane wurde ein wenig ängstlich zu Mute, und um sich zu beruhigen, umfasste sie fest das knorrige Eichenholz. Es war doch nur Holz, weiter nichts. Und doch wurde ihr für einen Augenblick schwindlig.
Sorgfältig breitete sie die Überdecke aus, richtete das Bett und trat dann einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten. Hier hatte Puckle mit seiner Gattin gelegen. »Er kann eine Frau glücklich machen!« Die Worte dieser seltsamen Frau fielen ihr wieder ein. »Wer mit John Puckle in diesem Bett liegt, will kein anderes Bett mehr.« Jane sah sich im Zimmer um. Auf der Truhe, wo bei ihrem ersten Besuch die Katze gesessen hatte, lag ein Leinenhemd von Puckle. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass niemand sie beobachtete, ging sie hinüber und nahm das Hemd. Er hat es getragen, aber nicht oft, dachte sie. Es roch nur leicht nach Schweiß, eher nach Holzrauch. Ein angenehmer Geruch. Ein wenig salzig. Vorsichtig legte sie das Hemd an seinen Platz zurück.
Wieder sah sie das Bett an. Es schien ihren Blick auf merkwürdige Weise zu erwidern, so als wären Puckle und das Möbelstück eins gewesen. Und in gewisser Hinsicht stimmte das auch, denn er hatte so viel von sich selbst in diese Schnitzereien gelegt. Puckle in Eiche, dachte sie lächelnd und kicherte dann in sich hinein. Wenn Seele und Körper dieses Mannes derart viel Kraft und Ideenreichtum enthielten, dann war es kein Wunder, dass seine Frau nur Gutes über ihn zu sagen gehabt hatte. Aber warum hatte sie es ihr, Jane, anvertraut?
Nach einem letzten Blick auf das schimmernde Bett wandte sie sich um, stieg die Treppe hinunter und trat aus der Hütte in den Sonnenschein. Als sie gerade auf der Schwelle stand, hörte sie den kleinen Jungen freudig rufen. Und während sie ins helle Licht blinzelte, erkannte sie den Mann, der nun seinen Sohn in die Arme nahm.
Puckle war schwarz, so schwarz wie die hölzernen Gesichter auf seinem Bett. Er drehte sich um, sah sie und starrte sie an, und sie spürte, wie sie unwillkürlich erschauderte. Natürlich wusste sie, woher seine Gesichtsfarbe rührte: Er hatte einen seiner Kohlenmeiler versorgt und war nun über und über mit Asche bedeckt. Doch dass er so sehr den seltsamen Teufelsfratzen auf dem Bett ähnelte, war ihr unheimlich.
»Bring mir Wasser«, sagte er zu dem Mädchen, das sofort mit einem hölzernen Eimer zurückkehrte. Er bückte sich, goss sich rasch Wasser über Gesicht und Haar und wusch sich dann die Arme. Er richtete sich wieder auf. Sein Gesicht war nun sauber, das Wasser tropfte ihm aus dem Haar. Er lachte.
»Erkennt Ihr mich jetzt?«, fragte er Jane, die ebenfalls lachte und nickte. »Seid Ihr Tom schon vorgestellt worden?«, erkundigte er sich.
»Ich habe Ball mit ihm gespielt.« Sie lächelte.
»Bleibt Ihr noch eine Weile?«, fragte er gut gelaunt.
»Nein. Nein, ich muss nach Hause.« Sie schickte sich zum Gehen an, stellte aber zu ihrem Erstaunen fest, dass sie lieber geblieben wäre. »Ich muss nach Hause«, wiederholte sie
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