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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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eiserne Katholikin hatte sich darüber ihre eigene Meinung gebildet.
    Die schwierige Frage war, wie er den Verdacht von sich ablenken sollte, den er durch Lady Albions Anwesenheit in seinem Haus auf sich zog. Clement gelangte zu dem Schluss, dass Angriff die beste Verteidigung war.
    »Meine Mutter ist inzwischen völlig übergeschnappt«, erzählte er einigen Herren, von denen er wusste, dass sie sich keine Möglichkeit zu Klatsch entgehen ließen. »Und jetzt habe ich endgültig genug davon.« Als einige Nonkonformisten wegen Verdachts auf Verschwörung vom Rat eingesperrt wurden, meinte Albion spöttisch zu Gorges: »Ich habe meine Mutter eigenhändig hinter Schloss und Riegel gesteckt. Ich bin ihr Gefängniswärter.« Als Gorges ihn daran erinnerte, dass er persönlich die schottische Königin Maria bewacht habe, entgegnete Albion: »Meine Mutter ist viel gefährlicher.« Und als Helena sich erkundigte, ob er sie tatsächlich eingeschlossen hatte, erwiderte er mit finsterer Miene: »Ich wünschte, ich hätte einen Kerker.«
    Er hoffte, dass es ihm gelungen war, sie von seiner Loyalität zu überzeugen. Doch zwei Ereignisse belehrten ihn bald eines Besseren. Das erste fand statt, kurz nachdem sie erfahren hatten, dass Drake die Erlaubnis zu einem erneuten Angriff auf die spanischen Häfen verweigert worden war. Die Befehle der Königin riefen bei ihren Kommandanten ein leichtes Schmunzeln hervor. Wenig später besuchte Albion Hurst Castle.
    »Hast du schon gehört, Clement«, meinte Helena, »dass die Königin von der Flotte verlangt, immer auf und ab zu fahren wie Palastwachen, die ihre Runden gehen?« Sie lachte. »Offenbar ist Ihrer Majestät, obwohl sie Freibeuter über die Meere schickt, nicht bekannt, dass Schiffe nicht nach Belieben die Richtung ändern können, ohne auf den Wind zu achten. Nun fährt die Flotte nach…« Sie hielt inne und fügte verlegen hinzu: »An einen anderen Ort. Wohin, weiß ich nicht.« Als Albion sich umdrehte, sah er gerade noch, dass Gorges hinter ihnen stand und den warnenden Finger von den Lippen nahm.
    Der zweite Vorfall ereignete sich Mitte Juli.
    Es war eine Tatsache, dass das königliche Agentennetz trotz seines guten Rufs nicht in der Lage war, die Strategie der Spanier in Erfahrung zu bringen, obwohl die Flotte täglich erwartet wurde. Man musste zwei Bedrohungen im Auge behalten. Eine ging von der großen Flotte selbst aus, die andere von den spanischen Truppen, die bereits auf der anderen Seite des Meeres in den Niederlanden lagen, wo sie die protestantische Revolte gegen die Herrschaft der katholischen Spanier niedergeschlagen hatten. Diese Truppen bestanden aus Zehntausenden von kampferfahrenen Soldaten und waren dem Kommando des Herzogs von Parma, eines fähigen Generals, unterstellt. Man nahm an, dass sie die Ostküste von England angreifen würden, vermutlich in der Nähe der Themsemündung, und zwar zeitgleich mit dem Eintreffen der Armada.
    In diesem Fall würden sich die Engländer an zwei Fronten verteidigen müssen. Doch stimmte diese Neuigkeit wirklich? Beabsichtigte die Armada, die englische Flotte auf See zu zerstören und den erstbesten englischen Hafen – vermutlich Plymouth – einzunehmen und als Stützpunkt zu benutzen? Oder wollte man weiter den Ärmelkanal hinaufsegeln, um Southampton, die Insel Wight und Portsmouth zu erobern? Niemand wusste die Antwort.
    »Ich habe wieder einen Brief aus Spanien erhalten«, verkündete seine Mutter ruhig eines Abends, als Albion von einem Besuch in Southampton zurückkehrte.
    »Heute? Wie ist das möglich?« Wer hätte ihr hier in dieser abgelegenen Gegend des New Forest einen solchen Brief zustellen sollen?
    Sie tat die Frage als unwichtig ab. »Du musst dich jetzt bereithalten, Clement. Bald kommt die Zeit.«
    »Wann? Wann sind sie da?«
    »Ich habe dir bereits gesagt, dass es nicht mehr lange dauert. Gewiss werden die Signalfeuer angezündet. Dann weißt du Bescheid und musst deine Pflicht tun.«
    »Welche Neuigkeiten hast du sonst noch erhalten? Was haben sie vor? Wollen sie die Insel erobern? Oder Portsmouth?«
    »Das darf ich dir nicht sagen, Clement.«
    »Dann lass mich den Brief lesen, Mutter.«
    »Nein, Clement. Ich habe dir alles erklärt, was du wissen musst.«
    Er starrte sie an. Misstraut sie mir etwa? Natürlich nicht. Aber sie vermutet, dass ich es Gorges oder dem Leiter der Grafschaftsmiliz weitererzählen werde, wenn ich etwas über die Absichten der Spanier erfahre, dachte er. Und sie hat Recht.

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